auseinander gesetzt

nach der heißen Woche drücken die Gedanken noch viel mehr gegen den Schädel. manchmal auch gegen den Bauch. von innen. wie etwas, was zu groß ist für das, was ihn umfängt. also, groß…ich meine: viel. ich habe keinen Gradmesser für die Größe meiner Gedanken. aber ich kann die Gedanken aufteilen in keine – wenig – viele. am liebsten habe ich wenig Gedanken. keine Gedanken zu haben, geschieht mir so gut wie gar nicht. aber wenig Gedanken ist fein. dann schaukle ich zwischen Innen und Außen und kann in regelmäßigen Abständen hierhin undoder dorthin schauen. ah, ein Mensch, den ich kenne. hm, ich freu mich ziemlich. huch, der Mensch sieht müde aus. ja, doch, ich fühl mich auch müde. wie schön, ein Lächeln. es tut gut, mich selbst lächeln zu spüren.

Harmonie. Schaukeln. immer ein erfrischender Lufthauch um die Ohren.

heute sind es viele. viele Gedanken. wenig Lächeln. es sind schon lange viele Gedanken. heiße, kühle, drückende, drängende, erschrockene, erschöpfte, verronnene, verschmolzene. ausgelöst von der Frage: will ich das?

mich stresst diese Frage über alle Maßen. einerseits meldet sie sich am liebsten zu Hormontwist-Zeiten, in denen ich besonders schlecht im Schaukeln bin. andererseits macht sie sich dick. so dick. und ich meine jetzt nicht irgendwie menschlich ermessbar dick. genau genommen ist dick nicht mal das beste Wort. es ist mehr wie ein chemisches Ungleichgewicht im Kopf. will ich das?

ich wache morgens auf und alles ist, wie es ist, nichts überrascht mich und die Routine zieht sich schon die Strümpfe hoch: „Will ich das?“ ja was denn? was genau? Routine? Aufstehen? und dann konkretisiere ich mich einmal durch mein Alltagsalphabet und finde nur sowas wie Schulterzucken und dann bleibt doch nur das Neue. gibt es das? etwas Neues? na gerade schon. ein Mensch, der ganz nah vor mir stand. die Schaukel war etwas hektischer unterwegs, weil ich keine alten Erinnerungen habe, die beim anstoßen hätten helfen können. aber viel schlimmer war das Knirschen im Stützgerüst.

mein Stützgerüst: ich mache das so, dass ich mir für mein Leben verschiedene Zukunftsvisionen entwickle, damit ich nicht abstürze, wenn eine Vision platzt. ich hatte das schon vor meinen Schwangerschaften. ich habe es nicht gewagt, mir ein Leben als Familie ohne wenn und aber zu wünschen, weil ich das Gefühl hatte, dass es echt schwer ist, einen Menschen zu finden, mit dem ich mich wachen Verstandes verkindern könnte. daher war die zweite Vision: Professorin der Linguistik. ich war auch gut dabei, also bei der Professorinnen-Idee, vernetzt mit wissenschaftlichen Assistentinnen, selbst noch HIWi eine bewundernswerten Professorin. dann wurde ich schwanger. der Mann hatte keine Partnerschaftsabsicht, weil er schon eine Partnerin (+ Kind) hatte, mir war das nicht so klar und mein Leben änderte sich. gut, genau genommen hat das alles sogar zwei Zukunftsvisionen ausgelöscht. aber ich fühlte mich nicht komplett enttäuscht sondern herausgefordert.

danach wusste ich, dass ich niemals alleinerziehend leben wollen würde.

zweiter Anlauf auf Zukunftsvisionen: beruflich erfolgreich sein und vielleicht einmal eine psychosomatische Station für Kinder und Jugendliche leiten. oder familiär wurzeln schlagen und so eine neue Zukunft sichern. viele wissen, dass ich nichts leite. dass ich zwar eine Familie gegründet habe, nur eben doch als alleinerziehende. aber ich hatte als Stützgerüst nach der Trennung, dass ich besser schnell wieder eine Beziehung eingehe, denn sonst….wachsen über die Provisorien die Lücken für ein Gegenüber im Alltag wieder zu. was auch geschehe ist. und mit den zuwachsenden Lücken und den nicht auftauchenden Partnern habe ich die Fragen „will ich das?“ mit mehr und mehr Nachdruck beantwortet. was sollte ich auch sonst wollen? würde ich etwas anders wollen, müsste ich etwas anders machen und ich war schon froh, dass ich das geschafft habe, was ich schaffen musste. wollen erschien mir wie eine Kür für wohlhabende Mütter mit viel Alltagsunterstützung. für die, die mal eben erste Klasse nach München ins SPA fahren für ein Wochenende. die, die sich mal familienfrei Urlaub nehmen können. für mich blieb die schlichte Pflicht „willst Du das?“ mit dem zu beantworten, was ich habe. Demut hat bestimmt wundervolle Auswirkungen auf irgendwas.

jetzt stand da zwei Wochen lang ein Mensch vor mir. nicht immer körperlich. aber doch präsent. kleine Bilder von Fjorden, Pinguinen und John Cleese. Worte, geschrieben wie gesprochen. ganz viel: „na aber sicher!“. und jetzt der Joker: „willst Du das?“ und das knarzende Gerüst. wenn Du nämlich über längere Zeit „ja“ zum Stehen sagst, wird es schwerer zu springen. wenn Du überwachsen bist von Leben, was kannst Du dann schieben? ein Teil von mir erinnert sich daran, dass es schön ist, gehalten zu werden. ein Teil erinnert sich daran, wie schrecklich es sich anfühlt, das wieder zu verlieren. ein Teil freut sich über geteilte Momente. ein Teil fragt sich unentwegt, wie reflektiert diese anderen neuen Aussagen sind. was kann ich investiere? was kann ich schieben? habe ich da was im Auge oder bin ich tatsächlich traurig? oder berührt? oder erschöpft? Timing? Möglichkeiten? möchte ich nur wieder etwas mehr sein wie die anderen? möchte ich auch mal nicht wirklich jedes Mal alleine auf der Decke sitzen, wenn ich mit den Kindern schwimmen gehe? oder abends noch auf dem Balkon lachen? ich sehe das um mich herum. Menschen, die einander begleiten. es sieht so leicht aus von außen. und ich weiß, dass es das nur sehr selten ist. oder vielleicht sogar nur dann, wenn zwei sich entschieden, auszublenden, was sie irgendwie ausblenden können. will ich das? Flucht aus dem Alltag? will ich das? will ich zuhause ein Stück rücken? mehr kochen, wenn Besuch kommt, ein zusätzliches Bett herumräumen und vielleicht beim Sex erwischt werden, sollte es jemals dazu kommen? will ich mit der tauben Traurigkeit im Herzen leben, wenn ein Streit aus zeitlichen Gründen nicht geklärt werden konnte? wie zur Hölle kriegen andere das hin???

welche Grenzen will ich? welche Grenzen brauche ich? und wie bekomme ich diese Masse aus dem Kopf? wie bekomme ich sie aus dem Bauch? ein Glück lebe ich noch zyklisch, da ergeben sich noch ein paar mehr Neuanfänge im Monat als nur Morgende oder Montage. aber was will ich? darf ich gedankenlos herumwollen? sollte ich zielführender wollen? wie kritisch will ich oder will ich lieber unkritisch wollen? wie will ich gewollt werden? ganz? partiell? nur morgens oder lieber Samstagabend?

das Wetter hat gewechselt. jetzt ist da das Gefühl, an der Nordsee zu sein. frischer Wind, Brandung in den Bäumen. die Haut schon etwas gebräunt aber trotzdem eine lange Hose über den FlipFlops. wenn ich nicht weiß, wie ich wollen will, will ich dann überhaupt etwas?

Brandung. Wind. getragen sein. nicht lange. für die Dauer einer Tide. oder für die Dauer eines Möwenflugs zwischen zwei Pommes. oder dann, wenn mein Herz einen klaren Moment hat und nur wenige Gedanken durch mich hindurch Schwung holen. wir haben uns auseinander gesetzt, sicherheitshalber. nicht miteinander. warten auf die nächste Flut abhängig von Mond und Sonne und dem Wind.

vieles klingt so schön. aber schon ein Schmerzpunkt scheint zu reichen, um die Gedanken wieder aufzuscheuchen. Airbag-Schwarm-Gedanken-Effekt. das scheint nun erstmal so zu bleiben. will ich das? kann ich das? und wer tröstet mich, wenn ich versage?

Liefs,

Minusch

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