hab Acht

Acht. oder 8. Acht Jahre. mein großer Sohn wird heute 8 Jahre alt und ich habe noch so viele Erinnerungen an die Schwangerschaft mit ihm, an die Geburt und die Zeit danach. zur Zeit sage ich oft sowas wie: die letzten 9 Jahre war ich im Dauerstress. das klingt so, als läge das an meinem Kind. nein, das muss ich korrigieren: mein großer Sohn hat vieles verändert, ja, aber das hat nicht den Stress verursacht. der Stress kam von anderer Seite.

aber es bedeutet auch, dass mein Kind mich mit zwei Gesichtern kennt. mindestens zwei. er kennt mich in schwer erschöpft. in glücklich. in angespannt. in krank. in stolz. ja, doch, das stimmt so. alles andere kann ich da einordnen. er kennt mich. und ich kenne ihn. er hat gelernt, leise zu sein, wenn ich nicht mehr kann. aber auch wütend zu sein, wenn es sein muss. wir können uns streiten, ohne uns aus den Augen zu verlieren. und wir können uns beieinander entschuldigen, wenn eins von uns zu sauer geworden ist. er kann Wünsche mitteilen und Gefühle erklären. er lernt schnell. seine Handschrift ist wunderschön sortiert (im Gegensatz zu seinem Zimmer) und ich bin mir sehr sicher, jederzeit einschätzen zu können, worüber er sich freuen könnte.

ich weiß, was er mag und was ihm so gar nicht schmeckt. ich weiß, wie sich seine Füße anfühlen, wie sein Bauch und wie seine Hände. er kann entspannen. er geht sehr aufrecht aber niemals schnell. er würde sehr gern Musik machen können. und er hat eine eigene Ästhetik irgendwo zwischen Einhörnern und Zombies.

mir geht das alles durch den Kopf, weil ich weiß, dass nichts davon selbstverständlich ist. auch für ihn nicht. als frühes Frühchen hätte sich sein Leben ganz anders entwickeln können. er könnte schon jetzt chronische Krankheiten haben. und das hat er nicht. aber er weiß um so etwas. er weiß um Kinder, die Hilfe im Alltag brauchen und er ist immer da, wenn Hilfe gebraucht wird. sein Herz ist weit für alle Unterschiede dieser Welt und er selbst unterscheidet Menschen nur in lieb und gemein. dabei ist ihm sogar bewusst, dass manche Menschen Gemeines aus lieben Gründen tun. oder aus Verzweiflung.

war ich mit 8 so wunderbar wie mein Sohn es jetzt ist? ich bin mir nicht ganz sicher…

wir leben jetzt seit zwei Jahren in dieser neuen Wohnung, die uns durch diese Zeiten trägt mit ihren wunderbaren Möglichkeiten. wir haben Schaukeln in jedem Zimmer. Schlafmöglichkeiten in jedem Zimmer. Fenster in jede Himmelsrichtung. wir können hier Pflanzen versorgen und Vögel füttern. ich weiß endlich, wie ich verlässlich nach Nase backen kann, weil der alte Gasherd keinerlei Temperaturregelung anerkennt. das Zimmer des Großen ist sowas wie eine Wohnhöhle mit Versteckmöglichkeit, Schreibtisch, sehr vielen Büchern und Lego-Sonstwas-Fusion-Daueraustellung. die Fensterscheiben zur Küche, die anfangs abgehängt werden sollten, sind wieder frei, damit ich sehen kann, wie es ihm geht in seiner Höhle mit den Papiersternen vor dem Fenster. die Badewanne unter dem Dachfenster ist ein beliebter Entspannungsort und auf dem Balkon spuckt unser Frosch bei Sonnenschein Wasser in die Email-Wanne.

so wie diese Wohnung, ist meine ganze Familie. vor allem der Große: ein Mensch mit Tiefe, Möglichkeiten und Energie. voll Vertrauen in seinen Bruder und mich. und voller Überraschungen. aber eben auch nah genug bei sich selbst, um sich nicht in der eigenen Hilfsbereitschaft zu verheddern.

ein Mikroskop, eine Fuchs-Brotdose, ein Lego-Minecraft-Piratenschiff, ein Ghostbusters-T-Shirt und ein Drachenbuch. ja, ich bin stolz auf die Wünsche meines Sohnes. und ich warte geduldig hinter seinem Geburtstagskuchen, bis er aufwacht…

Liefs,
Minusch

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