zusammener

die Synchronisation mit dem Jetzt schreitet voran und ich schaue mir nach wie vor selbst über die Schulter. es könnte langweilig anmuten, zum 100ten Mal dasselbe zu verstehen, aber dasselbe hat so viele Nuancen, dass es beruhigend ist, nicht wieder Neues aufarbeiten zu müssen. und war das nicht der große Wunsch der letzten 3 Jahre? Ruhe für das, was ist und nicht nur für das was sein muss?

viele existenzielle Sorgen sind ja geblieben. ich denke, ich habe mich daran gewöhnt. ich WEISS inzwischen, dass der nächste Tag beginnt, ob ich das Geld auftreibe oder nicht. ob ich krank bin, oder nicht. ob ich einen Streit schlichten kann oder nicht. ich weiß, dass es keine biologische Uhr gibt und keinen kosmischen Auftrag. es gibt nichts mehr dringendes zu erleben. durch dieses Wissen wird der Raum größer. oder, naja, weiter. und gleichzeitig ändert es meine Perspektive auf to-2-Listen sehr nachdrücklich.

in diesem Raum, den ich mir wirklich gönne, steht in der Mitte ein junges Mädchen. sie hat blonde glatte Haare, ist etwas seltsam angezogen und wirkt gleichzeitig, als könnte sie die Welt in beiden Händen halten und/oder abfackeln.
hinter diesem Bild von ihr sitzt ein kleines Mädchen, das panisch alles festhält, was ihm wertvoll ist.
in meinem Zuhause gibt es einen kleinen Jungen, der nichts verändern mag.
und einen kleinen Jungen, der nicht schnell genug groß wird.
und eine Frau, die seit 41 Jahren Menschen vermisst, die bei ihr sein wollen.

die zwei Mädchen, die zwei Jungs und ich bekommen gleichzeitig was wir wollen und auch nicht. wir schweben wie Magneten in der Spannung zwischen den Polen Sehnsucht und Angst. beide Extreme würden uns voneinander entfernen, oder haben uns bereits voneinander entfernt. aber wenn wir die Mitte erreichen, dann sind wir in Stille miteinander. und jede Verschiebung in der Balance betrifft die Balancen der anderen. deswegen bin ich auch drei. die Jungs sind jeweils eins. meine Balance wirkt sich dreimal so stark aus, weil sie angreifbarer ist. dabei sind die beiden Jungs empfindlicher als ich.

ganz ganz langsam kann ich verstehen, wie das funktioniert, mit dem zusammen Kaffee trinken. mit dem treffen von Menschen. ich komme dahinter, dass vor dem Bekommen ein Wollen stattfinden muss. und dass genau das in mir selbst ursächlich summt.

wusstet ihr, dass Kinder verlernen, sich etwas zu wünschen, wenn ihre Wünsche zum Werkzeug für Verhaltensmodifikation werden? es ist nicht nur so, dass permanentes Schimpfen Kinder dazu bringt, sich im Schimpfen zuhause zu fühlen. es ist sich so, dass die Satzhülse „weil Du Dich so schlecht verhalten hast, bekommst Du nicht, was ich Dir versprochen hatte“ eine Wahrheit transportiert, die das ganze Leben lang gelten kann: was ich mir wünsche wird nur wahr, wenn ich mich gut benehme.

da Menschen, die mit den Wünschen anderer spielen, nun aber nicht unbedingt die ausgeglichensten und (aus Sicht eines Kindes) durchschaubarsten Menschen sind, bleibt die Definition von „gut“ nicht nur schwammig sondern sogar gegensätzlich.

Du bist gut
– wenn Dein Zuhause aufgeräumt ist
– wenn Du viel arbeitest
– wenn Du sparsam bist
– wenn Du nicht erwartest, dass andere Deine Arbeit machen
– wenn Du Dich ordentlich anziehst
– wenn Du nicht zu viel Geld für Dich selber ausgibst
– wenn Du vernünftig isst

…diese Dogmen waren die meiner Kindheit. so aufgereiht wirken sie nicht gefährlich.
gefährlich ist, was nicht darin aufgezählt wird. und dass sie phasenunabhängig wirken. dass sie sich gegenseitig verstärken. und dass sie anderes ausschließen.

das junge Mädchen kann diese Dogmen mit grimmigem Lächeln alle einzeln langsam und genüßlich verbrennen. das kleine Mädchen weint dabei und fürchtet, das sie etwas sehr wichtiges für immer verliert. die Frau hält ihre beiden Jungs an der Hand und betrachtet das Feuer aus sicherer Distanz. der eine Junge drückt sich vorsichtig an mich. der andere Junge sucht die Umgebung nach Dingen ab, die er selbst verbrennen könnte.

das alles geht sehr langsam.

aber kennt ihr das Gefühl von einer gemeinsamen Nacht unter dem Sternenhimmel am Lagerfeuer? genauso wache ich manchmal auf. ein Gefühl von Sonnenbrand auf den Wangen und ein kalter Rücken. wir haben etwas gemeinsam erlebt. alle 5 zusammen. weil ich es mir wünsche.

Liefs,
Minusch

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