3.1.
meine 2do-Liste für dieses Jahr ist schon jetzt zu lang. und da ich seit dem 31.12. mit meinen Körperflüssigkeiten kämpfe und eigentlich nur liegen kann (und ab und an die Spülmaschine mit den Resten von Silvester be- und entladen…) wandern die Gedanken umso munterer.
es sind immer diese Tage, an denen ich am Ende meines Lateins bin, die mich wütend machen. solche Tage wie diese. ich habe nur einen dämlichen Magen-Darm-Infekt. mehr nicht. ich brauche die Nähe eines Badezimmers, Tee, Suppe, Toastbrot, Äpfel und Bananen. mehr nicht. aber wenn Dir das am 1.1. morgens um 6 klar wird (weil Du dann endlich kapierst, dass wirklich nicht die drei Gläser Sekt gemacht haben, dass es Dir so elend geht, und Dir ein Stein vom Herzen fällt, weil Du an Deinem Geburtstag die Aufmerksamkeitsspanne eines schlecht gelaunten Kindergartenkindes hattest und Dich schon vor den Gästen geschämt hast), dann kannst Du zwar gut loslassen, aber hast eben auch nur das Badezimmer in der Nähe. und die Kuchen- und Chilireste, die Du am liebsten verbrennen willst, weil Du sie ja bereits loslassen musstest.
die Nachbarn haben schon pauschal Hilfe angeboten. eine Familie mit 3 Kindern. ich habe schon um Hilfe gebeten. mal kam das Kind früher aus der Schule als ich aus der Arbeit. mal fehlte Tomatenmark für die Bolognese. mal waren es zu wenig Kartoffeln.
ich hab mich mit Ketchup revanchiert. und meine Kinder und ich haben kleine Überraschungen im Haus verteilt.
die Nachbaren haben uns dann auch einen Teil der geschenkten Muffins abgenommen und uns eine Banane und einen Apfel dagelassen.
„wenn wir helfen können, sag Bescheid“
und ich kann wirklich null einschätzen, was so ein Satz eigentlich heißt. ich habe ihn schon von anderen gehört. aber da ich nur unter sehr seltsamen Bedingungen um Hilfe gebeten werde, kann ich inzwischen nicht mehr einschätzen, was dahinter steht. wahrscheinlich machen sich die meisten Menschen auch gar nicht so viele Gedanken um diese Frage. es ist nur: wenn es mir schlecht geht, bekomme ich einen Tunnelblick. ich müsste mir also vorher klar werden, was mir hilft und wer mir da helfen kann. aber da ich, wenn es mir gut geht, erstmal kompensiere, worum ich mich nicht kümmern konnte und dann sofort wieder in einem Alltag absorbiert bin, der meine Kommunikation echt verschlechtert…naja: ich komme nicht zum Punkt.
ist das also mein Problem?
bin ich selber schuld?
wäre es besser, wenn ich mich mehr zusammenreissen würde? konzentrierter und planender wäre? wenn ich mal meine Ziele ausformulieren würde?
das ist sicher eine Perspektive, die super leicht einzunehmen ist. selbst von mir. ich weiß schließlich selbst am besten, wie oft ich die Füße hochlege oder mit den Kindern vor dem Fernseher kuschel. wieviel Zeit ich im Social Media Devices „verplempere“.
andererseits: das Leben, das ich gerade führe, war die längste Zeit meines Lebens nicht absehbar. ich wusste nicht, dass ich zusätzlich zu den Haushaltsskills und den Familienskills und den beruflichen skills noch Wissen darüber brauche, wie ich mich absichere, falls ich krank werde und niemand ist da und kriegt es einfach mit. mir war nicht klar, dass ich mich neben Arbeit und Bürokratie und Haushalt und Kinderbetreuung noch damit beschäftigen sollte, wo ich Hilfe im worst case kriege und wie diese bezahlt werden kann. ja, klar, als SozPäd kenne ich immerhin viele Anlaufstellen und die Hilfen, zu denen der Staat verpflichtet ist (und wie er sich dieser Aufgaben entledigt). aber ich glaube, dass ich keine SPFH brauche und meine Kinder keine Hilfe zur schulischen Integration. ich brauche auch keine Psychotherapie. ne Kur vielleicht…sie wird gerade realistischer, weil ich sehe, dass die Jungs in ihrer Selbständigkeit gerade ordentlich wachsen und ich mir so überhaupt vorstellen kann, dass sie im Rahmen einer Kur auch dort in KiGa und Schule gehen würden.
zurück zum Thema:
hätte ich gewusst, was auf mich zu kommt, ich hätte mich vorbereitet. aber um es mal drastisch auszudrücken:
lern mal reiten auf einem Pferd mit Zahnschmerzen. und am besten lernst Du während des Reitenlernens auch noch Zahnheilkunde für Pferde, Pferdehaltung und Gebärdensprache für Huftiere.
und da kommen wir zu meiner Wut vom Anfang zurück. würde ich, beispielsweise nicht so viel Zeit auf Twitter verplempern, hätte ich gestern nicht von einer Twitterista aus der Nachbarschaft von ihrem Einkauf meinen mitgebracht bekommen. hätte ich dort nicht offen über meine Nöte gesprochen, ich hätte
a) sehr viel langsamer verstanden, dass ich in einer Gewaltbeziehung war
b) schon zwei Mal meine Wohnung verloren
c) …
praktisch gesprochen, macht mein Schreiben hier wie dort sehr viel Sinn. und ich bekomme Anerkennung durch Antworten. ich bekomme aktuelle Impulse mit und kann meine Argumentation schärfen. ich lerne auch viel über meine Reizthemen. und ich twittere in den Peak-Zeiten: morgens zwischen 5 und 7 oder abends zwischen 20 und 22 Uhr. es sei denn ich schlafe. dann nicht.
wenn ich meine Füße hochlege ist es meistens schon zu spät. dann hab ich mir schon Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder schlechte Laune gelaufen. ich mache es grundsätzlich zu spät. ja, ist auch voll mein Problem, nur: was wäre, wenn ich es früher täte…was wäre, wenn ich mich krank melde bevor ich wirklich krank bin? was wäre, wenn ich meine Kinder um Rücksichtnahme bitte, bevor ich mir die Ohren zuhalten muss? was wäre, wenn ich Verabredungen absage, obwohl es irgendwie doch schön wäre? was bleibt? mehr Zeit für mich? ich denke nicht…meine Kinder bräuchten ein Ventil für die Gefühle, die in dieser Zeit in ihnen entstehen. mein Arbeitgeber bräuchte meine Kooperation bei der Einschätzung meiner Arbeitsfähigkeit. Freunde bräuchten die Gewissheit, dass es nicht an ihnen liegt und irgendwann wieder anders läuft…oder sie würden verblassen, weil sie selbst auch Alltagssorgen tragen müssen.
da sitze ich also mittendrin. in allem. sammle Informationen, baue ein Netzwerk, mach meinen Job, versorge meine Kinder, versorge mich, halte mich an bürokratische Feinheiten und komm klar. und da das alles wichtig ist…
ich würde gern was weglassen.
ich vernachlässige oft das mit dem Netzwerk.
ich melde mich krank, wenn ich krank bin.
beim beruflichen Wiedereingliederungsangebot hat die Dame gegenüber mich angeguckt wie das 8te Weltwunder. manchmal fühle ich mich selber auch so. komplett erstaunlich und völlig unrealistisch gleichzeitig.
ja, Demut hilft im Alltag. Verzicht. Dankbarkeit. Kernstücke eines vermeintlich guten Lebens (unser CO2-Fußabdruck ist sicherlich auch beachtlich klein. vor allem im Sommer!). wir wertschätzen die besonderen Momente und finden Kostbarkeiten im Sperrmüll wie im Wald.
ich würde es uns gerne leichter machen. andere Menschen würden es uns auch gern leichter machen. aber tatsächlich braucht es eher sowas wie einen Erkenntnisprozess auf bundespolitischer Ebene:
ich fühle mich gesellschaftlich nicht wertgeschätzt. individuell schon. gesellschaftlich nicht. nicht als Frau. nicht als Mutter. nicht als alleinerziehende Mutter. nicht mal als Mensch. wenn ich immer wieder lese, was Eltern (Mütter) so alles falsch machen, dass sie ihre Kinder nicht gut genug erziehen und etwas fordern, worauf sie ja nicht hätten verzichten müssen, kocht mir die Galle hoch. ich komme irgendwie damit klar, meinen Neid auf die Unbelastetheit des Vaters der Kinder zu handeln, weil die Kinder und ich einander gut tun. aber ich halte nicht aus, dass Männer, die (endlich) Unterhalt bezahlen sich ansonsten rauspicken können, wann sie Zeit haben für die Kinder. dass sie einfach 100km weit wegziehen dürfen, ohne zu fragen (und ich müsste den Lebensmittelpunkt der Kinder mit mir erst mit dem Vater ausdiskutieren).
denn: im Falle einer Krankheit der Mutter wäre der Vater derjenige, der sich um die Kinder kümmern könnte. dann wäre da zwar noch nicht zwingend was im Kühlschrank der Mutter, aber wenigstens müsste sie nicht mit akuter Kotzeritis Essen kochen. sie könnte einfach schlafen. sich erholen. gesund werden. und wüsste, (im Idealfall) den Kindern geht es gut. sie sind ja bei diesem so irre wichtigen Vater.
tja, dumm, wenn das alles nicht greift. wenn Oma und Opa in Sri Lanka oder München sitzen, der Kindsvater irgendwo 160km weiter. und die Notmuttervermittlung macht Ferien. und die Nachbarn hören das Handy erst nach 7h. die Freunde haben digital-detox-mäßig die Handys aus. die Kinder haben Hunger. die Mama nicht.
wie? Eltern vernachlässigen ihre Kinder und hängen den ganzen Tag am Handy? echt? Eltern verballern das Kindergeld „falsch“? Eltern verziehen ihre Kinder und lassen alles durchgehen, weil sie zu faul zum erziehen sind?
wisst ihr was? wenn meine verzogenen Smartphone-Kinder alt genug sind, die Revolution mit anzuführen, werde ich die Frau sein, die hinter ihnen steht. und ich werde breit grinsen und eine Fahne schwenken auf der steht: „Strick Dich ins Knie, Du Arschloch!“ und dann helfe ich der anderen Frau mit den drei kleinen Kindern über die Straße und poliere ihre unsichtbare Krone. denn wenn meine Kinder groß genug sind für die Revolution, dann bin ich frei genug, um anderen Menschen zu helfen, sich wertvoll zu fühlen.
liefs,
minusch
PS: ich habe gerade Hühnersuppenrezepte gegoogelt, just in case…die einfachste Variante kochte Hühnchenfilet in Hühnerbrühe und garte irgendwann Gemüse mit. die komplizierteste band das Gemüse zum Bouquet und garte ein ganzes Huhn und nach dem Abschöpfen des Fettes und dem Passieren der Schwebeteilchen durch ein Tuch wurde die Suppe nochmal aufgekocht und dann dann über das zerteilte Hühnchenfleisch und die Gemüsewürfel in die bereitgestellten Schüsseln gegeben. Omas beste Suppe. ja, ich weiß, warum „Oma“: Oma hatte keinen Bock auf Streitereien und hat sich in der Küche verschanzt! der einzige Nachteil einer offenen Küche…
Gute Besserung, meine Liebe! ❤
vielen Dank…still in progress