ihr Lieben, es ist Sonntagmorgen, 6:00Uhr und ich kann nicht mehr schlafen. nein, ich sitze nicht hadernd vor dem Fenster und warte auf die Sonne. ich war gestern auf der Frankfurter Buchmesse und habe einen Zauber gefunden.
ich möchte diesen Zauber mit Euch teilen. und weil ich es nicht versauen möchte, erzähle ich Euch, wie der Zauber zu mir kam. das war so…

eine Bekannte von Twitter hat mich zur Buchmesse mitgenommen. ihre Freundin musste überraschend arbeiten und konnte sie nicht begleiten und ich lebe in der Nähe von Ffm und ich hatte zufällig an diesem Samstag einen kinderfreien Tag, weil der Vater meiner Jungs mit ihnen etwas unternehmen wollte (dazu sag ich an dieser Stelle besser nichts…das würde dem Zauber den Glanz nehmen), und schwups waren wir verabredet. ja, auch das ist schon ein wenig zauberhaft, finde ich, denn ich hatte die Buchmesse überhaupt nicht auf dem Schirm. ich wollte da immer mal hin, habe aber nie die Karte kaufen können.

wir fanden uns wie zwei Blind-Datende sich finden und dann schlenderten wir los. ziellos beide, denn sie hat schon zwei Tage dort verbracht und ich hatte keinen Plan. ja, die Cosplayer*innen wollte ich sehen. das war auch wirklich wirklich schön (warum lachen die nicht? es muss doch wunderbar sein, in so tollen Kostümen rumzulaufen? ich hätte mir das komplette Cosplay-Make-Up runtergelacht). wir schlenderten, bewunderten, wichen Menschen aus, drückten uns an Schlangen vorbei und dann der Bereich der Kinderbuch-Verlage. aaaah…zwei lesebegeisterte Frauen mit Geschichten-verschlingenden Kindern zuhause und um uns herum so viele schöne neue Bücher. wusstet ihr, dass es eine Literaturzeitschrift für Kinder gibt? guckt mal bei Gecko rein. ich finde, so ein Mini-Abo wäre ein tolles Geschenk für ein Kind oder eine Klasse.

bereits durch all die schönen Geschichten und wunderbaren Zeichnungen leicht angesäuselt standen wir vor einer Bilderbüchergalerie vom Tulipan Verlag. ich blieb hängen an „Der Mann der eine Blume sein wollte“ und meine liebe Begleiterin hielt plötzlich ein Buch in der Hand, in dem ein Monster (Monsta!) von seinem Leben unterm Bett erzählte. ich seufzte hingebungsvoll in das Blumenbuch und sie kicherte. wir zeigten gegenseitig auf schöne Stellen und holten die nächsten Bücher: „Ich bin für Dich da“ (ein Stachelschwein kümmert sich um eine traurige Giraffe) und „Cowboy Klaus und das pupsende Pony“. wir lachten und seufzten gerührt und ich fühlte mich zum zweiten Mal eiskalt erwischt. und dann nahm ich das Buch mit der Frau mit der Querflöte in die Hand.
es heißt „meine Mutter, die Fee“. zwischen all den bunten Bilderbüchern sieht es seltsam neblig aus. die Konturen und Schatten sind fein gepunktet. graue Wolken hängen in dem Wohnzimmer oder steht der Sessel mit den Büchern am Strand? ich schlage das Buch auf. der Schattenriss eines herbstlichen Baumes, eine Stromleitung und darauf eine Krähe. ich komm trotzdem noch nicht drauf, worum es geht. dann die ersten Worte mit dem ersten Bild der Geschichte und mein Rücken wird steif. ich lese und bleibe hängen an „Auch dass sie noch im Nachthemd war, wenn sie mir nach der Schule die Tür aufmachte, kam mir merkwürdig vor.“
ich blättere von Seite zu Seite und die Tränen hören nicht mehr auf. ich deute auf die berührenden Stellen und tippe meine Begleiterin an und sie hat auch feuchte Augen. irgendwann beugt sich die Verlegerin zu mir und fragt, ob ich ein Taschentuch brauche. ich wische mit den Ärmeln über mein Gesicht, was nichts bringt, weil direkt die nächsten Tränen laufen. als ich das Buch gelesen habe, bietet die Verlegerin mir Schokolade an. ich kann nicht. ich brauche noch einen Moment.

ich sitze mit einer Bekannten aus dem Internet, die ich noch nie vorher gesehen habe auf der Frankfurter Buchmesse an einem Messestand und heule wie ein Wasserfall über ein Bilderbuch.

ha, das klingt, als wäre es IRGENDEIN Bilderbuch. nein. ich hatte vorher schon ein Bilderbuch über den Tod in der Hand, das mich berührt hatte. ich hatte auch feuchte Augen bei dem kompostierbaren Notizbuch mit Blumensamen im Deckel, dass Du, wenn Du es vollgeschrieben hast, einpflanzen kannst.

aber „Meine Mutter, die Fee“ von Nikola Huppertz und Tobias Krejtschi hat für einen Moment mein Herz geöffnet. womit? Depression. dieses Buch betrachtet die Depression der Mutter und der Vater findet dafür Worte, die ich nicht wiederholen möchte, weil dieser Zauber so wunderbar ist, dass er selbst erlebt werden sollte. ich habe schon so viele Bilder für Depression gesehen und gelesen. diese Worte haben eine Schönheit, die unvergleichlich ist und die nicht übersetzt werden muss. die Bilder dazu haben ein eine ganz zarte Kraft. die Worte und die Bilder begleiten Dich beim Lesen durch etwas tieftrauriges, ohne Dich damit allein zu lassen. ohne Dich fallen zu lassen.

ich erklärte mich der Verlegerin, Mascha Schwarz, ausführlich. ich erklärte, dass Depression als Thema mich verfolgt und immer wieder zu mir kommt und ich immer wieder in Situationen gerate, über sie zu sprechen und sie zu erklären. sie lächelte mich an und antwortete:“dann sind Sie eine Botschafterin.“

ja, hier sitze ich nun als eine Botschafterin für diese seelische Besonderheit und lege Euch das Buch ans Herz. auch wenn ich der Ansicht bin, dass Menschen, die bisher das Glück hatten, nicht von Depression berührt worden zu sein, keinen Grund haben, sich damit auseinander zu setzen, ist das Buch schön. meine Kinder haben mir ganz still zugehört. sie wollten auch die beiden Gedichte hören. für sie hatte die Geschichte den Zauber einer Familie mit einer Mutter, die sonderbar ist, aber die dafür eben auch etwas besonderes kann (Fee sein, eben). ich habe nach dem Vorlesen gefragt:
„traurige Geschichte, oder?“
-„nee, schön.“
„fandet ihr es nicht traurig?“
-„ein kleines bißchen nur.“

nein, dieses Buch ist kein Weihnachtsgeschenk. es ist eine Chance, den Raum größer zu machen für den Zauber des Mensch-seins. es feiert die Freiheit unserer Worte, den Blick zu leiten und damit alles zu verändern. es ist ein Geschenk ohne Grund. es ist eine ganz einfache und alltägliche Geschichte voll von Zärtlichkeit für die, die darin leben.

Mascha Schwarz hat mir ein Exemplar geschenkt, weil sie sich wünscht, dass die Bücher des Tulipan-Verlages genau das tun, was dieses Buch bei mir geschafft hat: berühren. ich habe dieses Buch in meiner großen Tasche nachhause getragen zusammen mit den vielen Schätzen, die ich an dem Tag noch mitnehmen durfte oder geschenkt bekam. ich habe den ganzen Heimweg über nachgeschaut, ob es noch da ist. und abends habe ich es meinen Kindern im Bett vorgelesen. jetzt liegt es hier neben mir auf dem Tisch. die Sonne geht auf. draußen singen Vögel und die Blätter sind nicht mehr grün. ich habe Euch geschrieben, was ich darüber schreiben kann und denke, dass ich jetzt wieder ruhig werde. ich bin der Meinung, dass dieses Buch bekannt sein soll. ich hab getan, was ich konnte. jetzt könnt ihr schauen, ob Eure Buchhandlungen es haben oder bestellen. und dann sucht Euch einen ruhigen Ort nur für Euch. lest es selbst, bevor ihr es Kindern vorlest. schenkt Euch diese kurze Zeitspanne für den Zauber, den es hat. sonst könnte es sein, dass Euer Herz anfängt zu ruckeln, wenn ihr es gleich laut lest. ganz so wie in den letzten 3 Versen des Gedichts von Joseph von Eichendorff ganz hinten im Buch:

„(…)Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.“

Liefs,

Minusch

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„Meine Mutter, die Fee“ von Nikola Huppertz und Tobias Krejtschi. erschienen im Tulipan Verlag. ISBN 978-3-86429-369-6

8 Antworten auf „Meine Mutter, die Fee (Werbung)

  1. Oh, vielen Dank für die Vorstellung dieses Buches. Bücher, auf die man so intensiv reagieren kann, finde ich großartig. Dieses wäre auch was für mich, sind Depressionen doch auch meinThema, privat wie beruflich. Vielleicht wäre das auch ein Buch, dass ich betroffenen Eltern empfehlen könnte?
    Einen schönen Sonntag, herzliche Grüße
    Sabine

  2. Ach, ach, was für eine schöne Vorstellung für ein Buch!!! ❤ Ich habe es schon im Internet gesehen, aber noch nicht in den Händen gehalten, war mir aber sicher, dass es ganz bezaubernd sein würde, weil es von Nikola Huppertz geschrieben ist – die meine neue Lieblingsautorin ist! Wie kann sie nur so schwierige Themen in so einfache, empathische Worte fassen?! Auch noch absolut empfehlenswert: "Meine Omi, die Wörter und ich" und "Woher ich meine Sommersprossen habe".
    Ich denk an dich, das nächste Mal möchte ich auch mit Dir über die Messe gehen! ❤

  3. Der Tulipan-Verlag gehört auch zu meinen liebsten. Wie wunderbar, dass du auf der Messe eine so berührende Begegnung (mit dem Buch und der Verlegerin) hattest.
    Ganz herzliche Grüße, Micha

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