manchmal lebe ich wie in einem Traum und manchmal wie in einem Witz. es wechselt sich ab. mal so, mal so
es gibt Tage, die stecken voller Überraschungen. dann habe ich spontan ein Date mit einem umwerfenden Menschen. meine Kinder lachen den ganzen Tag. der Haushalt schnurrt. und abends male ich ein dickes Herz in den Kalender, als Reminder, dass ich einen fantastisch-schönen Tag hatte.
dann gibt es Tage, da meldet sich dieser umwerfende Mensch einfach nicht, die Kinder sind schlecht gelaunt weil das Lieblingsmüsli aus war, in der Drogerie ist das Regal mit dem lebenswichtigen Lieblingsmüsli noch nicht aufgefüllt und der Bus fährt eine Minute zu früh ab.
wer jetzt denkt, das hänge nur an meiner Einstellung: au contraire! nichts beobachte ich genauer als meine Einstellung. die letzte Stellschraube, der letzte Funken Hoffnung auf Kontrolle, der innere Yoda – ich hab doch Grundwissen über selbsterfüllende Prophezeiungen und die gefärbte Brille und so weiter und so fort. ha! daran liegt es nicht!
die Tage haben ein Eigenleben! eine eigene Laune!
also nicht nur ich hänge hormonell verursacht ein bis 5 Mal im Monat durch, nein, auch meine Kinder hängen jeweils 5 bis 10 Mal im Monat durch und ganze Tage hängen hin und wieder durch und DAS ALLES NICHT SYNCHRON!
wie oft steh ich morgens bei der Arbeit und frage mich, wie um alles in der Welt schaffen es diese ganzen Leute pünktlich zu sein? alle pünktlich! alle mit erledigten Aufgaben! alle verlässlich! ich improvisiere das meiste und der Rest wird geschummelt. ich wäre echt gern wieder so organisiert wie früher, aber: ich, Kinder und Tageslaunen – you know! es hat einfach was von einer Eschertreppe.
und ich erinnere mich an dieses Bild von einer gezeichnete Figur auf einem Surfbrett, das auf einer Emotionswelle surft. das hing in meiner WG ganz prominent an der Klotür. und ich glaube: das Bild stimmt gar nicht. eigentlich stehen wir nämlich ständig knietief in der Brandung und halten uns nur einen Wasserball vor den Kopf, um wenigstens kurz klare Sicht zu haben, wenn der Wasser-Schwall vorüber ist.
es gibt beispielsweise so Tage, da wache ich morgens um 4 auf und möchte allen Menschen, die mir länger als 48h nichts geschrieben haben beleidigte Nachrichten schicken. morgens, zwischen 4 und 5, fühlt sich das Allein-sein nämlich absurderdings total schlimm an. ich meine: selbst in einer Beziehung wäre jeder um diese Zeit totsterbensallein, spätestens, wenn er/sie den anderen weckt, um nicht allein sein zu müssen. ist also ein total logisches Gefühl.
also auf Grundlage dieses Wissens müssten wir doch alle morgens zwischen 4 und 5 total entspannt und cool sein (Einstellung und Akzeptanz und „was ich nicht ändern kann“): ey, der Tag liegt vor Dir, es ist still, Du kannst lauschig mit einem Tee am Tisch sitzen und auf die Straße schauen auf der wirklich kein einziges Auto vorbei fährt…stattdessen roll beispielsweise ich von links nach rechts, versuche, die Gedanken ziehen zu lassen, werde überschwemmt von allen Demütigungen der letzten 39 Jahre und frage mich ob jetzt nicht der beste Zeitpunkt wäre, endgültig alles zu klären oder eben allen eine Nachricht zu schicken, die mir seit 48h nicht geantwortet haben.
es gleicht schon irgendwie einem Iron-Man-Sieg, dass ich beispielsweise heute morgen um 4:42 Uhr niemandem eine beleidigte Nachricht geschrieben habe und auch nichts geklärt. ich hab alles aufgeschoben. auf unbestimmt. da, in diesen umbeschrifteten Ordner im Kopf, auf den das Hirn nie zugreift. außer morgens zwischen 4 und 5…
und dann komme ich zur Arbeit und die eine Kollegin hatte offensichtlich auch keine Zeit, die Haare zu waschen. eine andere hat nicht mitbekommen, dass die Parallelklasse gar nicht da ist. die Vertretung versucht, so wenig wie möglich aufzufallen und ich bemerke die Doofness des Tages eigentlich nur daran, dass ich mal wieder zu wenig Notfallschokolade eingepackt habe.
beim Aldi gibts meinen Lieblingssalat sogar zwei Mal. von der aktuellen Serie hat die angebrochene Folge noch genau 21min, was exakt die Zeit ist, die ich brauche, um meinen Lieblingssalat zu essen. und im Dojang lese ich was davon, dass Materielles und Schönheit gar nicht so wichtig sind und erinnere mich verklärt lächelnd an das runtergeschlungene Nuss-Nougat-Croissant. den Part mit dem „sich Gesundes zuführen“ überblättere ich nonchalant und auf dem Heimweg kaufen wir drei noch im Vorbeigehen Mini-Schokodonuts mit Streuseln, Vogelfutter und Butterbrottüten.
die zwei Rebellen sitzen inzwischen in der Badewanne im Erkältungsbad. meine Wangen glühen von der Kombination Kälte-Kerzen-Multivitaminsaft und in meinem Nachbartap ist die Seite einer wirklich wundervollen Illustratorin offen. schau mal bei Yao Yao vorbei, wenn Du Dich scheiße fühlst. also, wenn Du eine Frau bist und Dich scheiße fühlst. mir tun diese Bilder unfassbar gut. sie fühlen sich so an, wie dieser Text hier klingt: bitterzart und voller Liebe zu sich selbst, egal bei welchem Wetter, welcher Laune, welcher Tageszeit.
und hier: umwerfender Mensch von Samstag! wenn Du das hier liest, wirf mich bitte nochmal um. das war super! Danke! (<<das klingt doch viel besser als ne vorwurfsvolle Nachricht zwischen 4 und 5…wobei ich gestehen muss, dass diese spezielle Form den Adressaten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfehlt. naja. Akzeptanz. Dinge nicht ändern können. wollen. ach, egal…)
Liefs,
Minusch
‚Bitterzart‘ wird mein neues Lieblingswort!
Danke für diesen schönen Text!
bitte, gern.
bitterarme Grüße aus 7h Arbeit MIT Kindern -.-