ihr Lieben, ich schweife von meinen Urlaubserinnerungen ab ins Jetzt. ich schreibe es mir nicht in jede Bio, aber ich bin „alleinerziehend“. ein Label, das mir anhaftet seit dem Tag, an dem ich bei der Polizei saß. ein Label, das erst mit dem Tag seiner Abmeldung aus unserer Wohnung amtlich wurde.
an diesem Wort „alleinerziehend“ hängt ein ganzes Universum an Vorannahmen. daran hängen auch Konsequenzen. politische Brisanz. Gefühle. Ängste. wirtschaftliche Folgen. Möglichkeiten. und Gefahren.
auf meinem Weg in diesen Status, den sich niemand freiwillig ans Revers heften würde, wurde ich begleitet von Rona Duwe, der Stimme hinter phoenix-frauen. sie hat meine Situation schon sehr früh als gefährlich erkannt. sehr viel früher als ich. sie hat sich von mir ablehnen lassen und blieb erreichbar. über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren.
ich habe sie inzwischen persönlich kennengelernt und als herzlichen Menschen erfahren. als zärtliche Mutter. und als Idealistin, wenn es um Gerechtigkeit geht.
diese Frau, die mich nicht kannte und dennoch auf mich zugegangen ist bei einem Thema, das so sensibel ist, dass sich jeder, der damit anfängt, als erstes eine Abfuhr einkassiert, hat gerade beschlossen, ihre Arbeit in Bezug auf den Kampf um Gerechtigkeit für Opfer von Beziehungsgewalt und deren Kinder auf Eis zu legen.
kurz zuvor hat ein anderes sehr großes alleinerziehenden-Blog einen ähnlichen Schritt verkündet. Alexandra Widmer von starkundalleinerziehend geht einen ähnlichen Schritt.
und ich kann beiden nur danken für ihre Aufklärungsarbeit. für ihren Mut. ihre Kraft. ihre Bereitschaft, ihr Profil dafür zu schärfen und in den Wind zu halten. für ihre Liebe…
ich habe kurz überlegt, diesen Job zu übernehmen, damit er weiterhin getan wird. als Sozialpädagogin bin ich gut ausgebildet, fachlich richtig zu recherchieren und sprachlich bin ich in der Lage, das alles wieder abzubilden. ich kann auffangen, sortieren und Hilfen anleiern.
ich will das, was diese beiden Frauen getan haben, nicht privat tun. obwohl es meinem Idealismus entspräche.
denn: ich habe nur dieses eine Leben. ich habe kein Backup. meine Pausen sind rar. und ich bearbeite so vieles. ich würde daran zerbrechen. so wie viele andere daran zerbrechen würden. so wie auch Rona und Alexandra immer wieder an ihren Grenzen gespürt haben, was sie da tragen.
es wäre notwendig und richtig, Geld für diese Form der Arbeit zur Verfügung zu stellen! es wäre nötig und richtig, das bestehende Netzwerk der Hilfe für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden und/oder alleinerziehend Schwierigkeiten haben, sich um sich selbst zu sorgen, politisch und wirtschaftlich auf lange Sicht abzustützen und zu erweitern, denn: die Zahlen zeigen, dass es in diesem Bereich keine positiven Prognosen gibt! dass es weiterhin Trennungen geben wird und auch weiterhin Gewalt gegen Frauen in der eigenen Familie.
wenn wir wollen, dass das besser wird, dass diese Zahlen endlich sinken, müssen wir lauter werden und ins Bewusstsein vordringen! wir dürfen nicht verschämt in den Ecken müde die Häupter senken! wir müssen deutlich machen: auch wenn diese Art zu Leben nicht freiwillig entschieden wurde, bleiben wir aufrecht und haben Ansprüche an dieses Leben, die einen vollgepackten Tag weit übersteigen!
wir tragen selbst die Konsequenzen für etwas, was wir uns nicht ausgesucht haben. wir fallen zwischen den Hilfsangeboten in ein Leben, für das wir uns schämen, wenn wir die Defizite nicht allein kompensiert bekommen. niemand ist stolz darauf, alles alleine zu schaffen, weil niemand alles alleine schaffen kann! weil die Misserfolge sich schneller häufen als die Erfolge bemerkt werden!
ich wünsche mir eine Stiftung, die anonym und unbürokratisch unterstützt und diese Arbeit absichert! ich wünsche mir anonyme und direkte Kontaktmöglichkeiten für Frauen in allen Phasen elterlicher Sorge! ich wünsche mir eine Öffentlichkeitsarbeit, die sichtbar macht, dass die Annahmen über weibliche Normalität zu 80% erfundene Scheiße sind und mehr Schaden anrichten als nützen!
ich wünsche mir mutige Nachbar*innen! ich wünsche mir Menschen mit großen Herzen! ich wünsche mir ein stabiles Fundraising für eine solche Arbeit! unkomplizierte Erholungsmöglichkeiten für Mütter! und politische Profile, die scharf genug sind, jede Väterlobby in die Schranken zu verweisen, wenn diese wieder mit ihrem rechts-zärtlichen Idealbild kommt und so tut, als gäbe es überall vor allem unkooperative Frauen, die ihre Kinder zu Vaterhassern erziehen.
ich fühle mich politisch in dieser Rolle nicht gesehen. und ich wäre sie gerne wieder los. deswegen denke ich, dass es keinen Sinn macht, diese wichtige Arbeit von Privatpersonen machen zu lassen. damit treffe ich keine Aussage über die Qualität der Arbeit. die Qualität der Arbeit von Rona und Alexandra steht völlig außer Frage, sich davon zu überzeugen ist verdammt einfach: alles ist nachlesbar in ihren Blogs!
es geht mir darum, dass sie als Betroffene auch die Sehnsucht haben, Ruhe zu finden und sich nicht auf etwas, was so destruktive Auswirkungen hat, konzentrieren zu müssen (!). diese Arbeit gehört in die Hände von Menschen, die dafür bezahlt werden, die sich krankmelden können, die sich die Zeit für die Recherche aktueller Zahlen nicht aus dem Privatleben reißen müssen!
genau das sollte jetzt sichtbar werden! genau dafür ist es jetzt wichtig, das beide Blogs parallel die Arbeit einstellen und deren Schreiberinnen sich jetzt Zeit nehmen, das alles loszulassen.
Rona und Alexandra: das, was ihr geleistet hat reicht für ein komfortables Karmapunkte-Konto und hätte ich die Möglichkeit, Euch dafür einen Preis zukommen zulassen, ich würde es tun. ich wünsche Euren Herzen Ruhe und Euren Köpfen Freiheit. ihr hinterlasst keine Brache sondern ein Hinweisschild auf einen unhaltbaren Umgang mit einer viel zu großen Gruppe von Menschen, in die jeden Tag neue Frauen hineinpurzeln, ohne sich dagegen wehren zu können.
ich bin stolz, Eure Arbeit gesehen zu haben. das war schon übermenschlich. Danke für Alles! Danke für Eure Herzen! es ist ein Geschenk, dass es Euch gibt!
minusch
Eine Antwort auf „starker verbrannter Vogel“