Brandung

ich stehe in meiner Brandung und spüre die Gischt auf mir. die Apfelblütenzeit ist vorbei. Gedanken suchen Schutz in meinem Haar und ich stehe mit geschlossenen Augen. die Stille meines Blutes beschützt das, was ich am meisten liebe. und ich liebe so sehr.

in diesem Monat hat etwas eingesetzt, womit ich nicht rechnen konnte. alles um mich hat das Gegenteil dessen gezeigt, was ich erwartet hatte. was ich gewohnt war. auf allen erdenklichen Ebenen begegne ich Menschen und ihrem Inneren und spüre ihr Echo in meinen Tagen. Wellen von Erkenntnissen brechen über mich herein. und ich bin stark genug, stehen zu bleiben. es gibt keinen Grund mehr, wegzulaufen.

ich spüre mein altes Wissen um mich selbst und ich erlebe, wie es sich in den Gesichtern der anderen spiegelt. ich habe den Glanz in Deinem Gesicht gesehen, Fremder. ich sehe meinen Glanz und höre meine Stimme und empfinde uns als Melodie.

nichts von dem, was ich denke, ist neu. alles war schon mal an der Oberfläche. aber die Tiefe, mit der diese Gedanken jetzt in meinem Haar nisten gibt mir das Gefühl, in diesem Moment klar zu sehen. klar zu sein. ich weiß. wer ich bin, was ich brauche, was ich kann. und ich vereine Kontraste, Gegensätze und haben und wollen zu etwas für mich so Schönem, dass Menschen darauf reagieren.

sie reagieren in Geschichten. in Zuneigung. in Lächeln. und Berührung. in Freude. in  Rausch. in Musik.

seit gestern verstehe ich, dass der Rausch nicht das Gegenteil der Einkehr ist sondern deren Bedingung. sich dem Leben zu verschließen ohne eingetaucht zu sein, ist so schräg, wie Antworten nur im Innern zu suchen. es braucht das Leben. den Tanz. das große Ja zum Loslassen. es braucht Übertretung von Grenzen. Reibung. Missverständnisse und diese Momente, in denen sich im Gegenüber ein Licht entzündet. es braucht Möglichkeiten.

Möglichkeiten sind so scheu. Versuchungen beinhalten immer eine Bedrohung. dort liegt der Keimling der Zukunft.

ich schreibe nicht von Achtsamkeit. ich schreibe nicht von Meditation. ich schreibe nicht von Zen oder Schweigen, Fasten oder Verzicht. ich schreibe auch nicht von Ekstase. oder orgiastischen Nächten. ich schreibe nicht von dem ganz großen Ausschlag des Pendels in die Extreme.

ich meine die ureigene Struktur an Möglichkeiten, die in jedem liegen. das eigene Spektrum. die Dynamik, die uns von Anfang an in die Sportler*innen, Wissenschaftler*innen, Träumer*innen und Freaks sortiert. das „ihr Kind sollte aufmerksamer sein“ und das „ihre Tochter fällt durch Unruhe auf“. ich meine das „sie beherrscht den Zahlenraum von 1-20 einwandfrei, schweift aber bisweilen ab“. Wachstum bedeutet nicht Entfremdung, auch wenn das überall in den Erziehungsvorschlägen übersetzt in normal bis nicht nicht normal beschrieben steht.

wir können uns nicht optimieren, weil wir uns dann in der Masse nicht mehr finden würden. alle achtsam, ruhig, engagiert und kooperativ…eine Gruppe Androiden? Maschinenmenschen?

ich liebe in Dir Dein eigenes Cluster an Möglichkeiten und Verzicht. ich liebe in Dir Deinen Schmerz genauso wie Dein Lachen. die Geschmacklosigkeit, die ausgebeulten Klamotten und die nicht vorzeigbare Zuneigung zu FastFood. ich liebe in Dir die Momente, in denen Du alles hinschmeißt, weil das Leben nicht zu Deiner Struktur passt. ich liebe es, wenn Du alles loslässt. ich liebe Deine Stimme, wenn sie bricht. und wenn sie stark wird. und wenn sie mich mit Namen anspricht.

ich liebe in Dir die Momente, an die ich mich erinnern werde. ich liebe Deinen Blick beim Tanzen und Deine immer gleichen aber leidenschaftlichen Bewegungen. ich liebe Deinen Willen zur Revolution. Deinen Widerstand. und ich liebe Deine Rolle in der Gruppe, die Dir etwas bedeutet. ich liebe Dein Kostüm so sehr wie Deine kaputten Socken irgendwo in der Schublade. überhaupt: ich liebe Deine Schublade, wo alles landet, was keinen Platz hat. die Sammlung von aufbewahrten Quittungen und die nie leere Ablage. die fünfmal neu beschrifteten Ordner. den Keller, den nur Du betreten kannst, weil er so vollgestellt ist.

ich liebe das Leben, das Du lebtest, denn es führte Dich zu mir.

Wolken ziehen über das Haus. weiße Wolken. ab und zu zarte Sonnenstrahlen. ich sitze in Shorts, Overknees und Hoodie auf dem Sofa. neben mir ein leerer Teller Ravioli. Roads von Portishead. dieses Jahr war schon jetzt so voll. so reich. so wunderwunderschön.

ich weiß nicht, ob ich schon früher auf das Leben hätte vertrauen sollen, aber: ich habe es jetzt verstanden. ich nicke leise im Takt der Musik und spüre Kraft. in wenigen Stunden kommen meine Kinder zurück und werden auch gewachsen sein.

ich bin die, die immer sein wollte. die, von der ich nicht dachte, dass ich sie sein könnte. ich bin angekommen. meine Haut passt mir. und vor mir bereitet sich die Zeit aus wie eine Landschaft, die nur ich sehen kann. meine Bäume, meine Blüten, meine Hügel und meine Flüsse. ich habe alles im Blick. und jeder Schritt in egal welche Richtung ist ein Schritt in meinem eigenen Leben. es gibt keine Fehler mehr. keine Gegner. es gibt nur die Bewegung durch das Leben.

ich weiß nicht, wem oder was ich dafür danken kann. aber Dankbarkeit ist mit meiner Liebe untrennbar verbunden. ich bin dankbar, so sein zu können. so leben zu dürfen. Danke

Liefs,

Minusch

FrouFrou – Let Go:

Eine Antwort auf „Brandung

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