surviving everything

die Weihnachtsfeiertage sind vorbei und ich schaue zurück auf meinen ersten alleinerziehenden Monat. die Kinder schlafen noch (sie schlafen überhaupt sehr gut ein, durch und aus) und ich bin frisch geduscht, gebodycreamt und sitze im Bademantel auf dem Sofa mit Blick auf den Weihnachtsbaum.

alles hat gekappt. und das lag nicht an glücklicher Vorsehung oder sowas. ich hab geklappt. also ich hab mehr als funktioniert. ich habe es quasi gut gemacht. und meine Jungs waren meine gut klappenden Sidekicks. ich versuche mal, das Gute zusammen zu fassen mit dem Hintergedanken, anderen Menschen, die kurz vor dem Erhalt des Labels „alleinerziehend“ stehen, Mut zu machen.

hej: wenn ich es schaffe, meinen ersten alleinerziehenden Monat in der Weihnachtszeit zu rocken, dann schafft ihr erst Recht einen schnöden Januar, Februar, März…

 

  1. stay calm

ja, die Panik wohnt in meinem Herzen. erst Recht die Panik vor großer Veränderung. ich war immer sehr begeistert von Veränderung, bis ich eine Baby-Urne in ein Grab senken musste. seitdem gehen weder Veränderung noch Geisterbahn oder Schaukeln. ich werde nicht mehr gern aus dem Gleichgewicht gebracht. mein Gleichgewicht sichert ab, dass ich weiß, was ich tu. ich trinke auch nur sehr wenig Alkohol, weil ich diesen enthemmten Zustand gern selber steuern möchte und mich nicht darauf verlassen will, dass das alles schon irgendwie so ok ist.

also: ich habe mir vorgenommen, ruhig zu bleiben. vorgenommen. genau.

das ging prima bei der Arbeit und in meiner 40min Mittagspause mit Essen vor dem Fernseher. das ging auch gut, wenn ich zwei grantige Jungs im Kindergarten abgeholt habe. das ging gut bis etwas 19:30 wenn wir alle müde wurden und dann gehauen und geflucht und kaputt gemacht wurde (von den Jungs). dann kam ich ins Spiel. eine Woche lang jeden Abend Theater. ich lag mit den beiden (danach traurigen) Kindern im Bett und dachte: nee, so möchte ich auch nicht ins Bett gebracht werden. ich will das ändern. ich habe mir vorgenommen, ruhig zu bleiben und das zu üben…

es hat geklappt.

also nicht sofort. aber es hat. ich habe abends meine ich-möchte-ruhig-bleiben-Brille aufgesetzt und mein Verhalten quasi von außen beobachtet und immer, wenn ich lauter werden wollte, hat mein Kopf angeklopft und sich geschüttelt und ich blieb ruhig und ich hielt das aus und ich wusste, die zwei sind auch nur müde und traurig und es wird gehen.

wir haben es gelernt. es gibt nur noch wenige Situationen, in denen ich laut werde. Gewalt ist eine. da tröste ich zwar auch lieber den Verletzten als den Verletzenden anzumotzen, aber wir alle kennen diese Situationen, in denen sich ein Kind in eine Wutschalte reinschafft. ok, nach dem Schimpfen bleibe ich bei ihm, bis er wieder spielen möchte. aber ich positioniere mich klar.

stay calm. nicht als Befehl, aber als Mantra. stay calm.

 

2. sleep

ja, ich weiß: Millionen Eltern drehen sich gerade nach mir um und zeigen mir einen Vogel. aber: wir passen zu dritt locker in ein 1,80-Bett. ich habe die Schlafordnung festgelegt und in Stein gemeißelt und beide Kinder schlafen durch. ja, sollte eines das Bett vollkotzen wäre sofort das andere wach, aber das kann immer auch in getrennten Zimmern passieren.

wir haben etwa 4 Wochen gebraucht, bis ich genügend Platz zum wirklich schlafen hatte. und ich habe etwa 5 Wochen gebraucht, bis ich auch mal durchschlafen konnte. aber es hat geklappt. ich gehe mit den Kindern um 20:00 ins Bett. wir lesen zusammen oder ich singe ihnen ein Lied vor und wir haben auch schonmal eine Folge Feuerwehrmann Sam geguckt. spätestens um 20:30 mache ich das Licht aus (das musste auch durchgesetzt werden…) und dann herrscht Ruhe (es sei denn, wir hören Benjamin Blümchen).

ich lese dann noch ein wenig auf dem Handy herum (mit dieser Display-Funktion mit weniger Blauanteilen im Licht) und schlafe irgendwann ein. die ersten Wochen bin ich weiterhin mitten in der Nacht wach geworden und konnte nicht mehr schlafen, aber das wurde langsam besser. ich habe es akzeptiert. ich konnte es ohnehin nicht ändern. ich dachte mir: abwarten…wenn es eine handfeste Schlafstörung wird, werde ich das merken.

es ging mit Geduld.

ja, jetzt wache ich dann eben um 5 auf und bin ausgeschlafen aber: ich bin ausgeschlafen! ich kann leicht aufstehen, in Ruhe duschen, das Bad putzen, Frühstück machen und habe genug Zeit zum morgens kuscheln, Adventskalender aufmachen und Brotdosen packen. und: es wird nicht immer so bleiben…time is on my side.

 

3. check your priorities

was ist wirklich wichtig für Euch? was ist wichtig für Dich?

ich habe relativ wenig bis keine Me-Time, solange der Vater der Kinder nicht Zeit mit ihnen verbringt oder die Kinder zu Freunden gehen. und im Dezember wissen wir alle, was ich in der Me-Time mache, wenn der Vater mit den Kindern Zeit verbringt: Weihnachts-Vorbereitungen.

ich habe das akzeptiert. das ist jetzt so. im Interesse der Gemüter meiner Kinder (und aus wirtschaftlichen Gründen erst recht) verzichte ich auf weitere Betreuung durch andere Menschen außer Kindergarten und Vater und bin so immer erreichbar. der Kleine hat Verlassensängste, das hab ich deutlich gesehen (viele viele Malheure, überraschend defensives Verhalten wenn ich mal sauer bin, extrem (!) schmusebedürftig…), also handle ich voller Überzeugung im besten Sinne meiner Idee von Familie.

aber: ich brauche dafür etwas. nämlich ein schönes Zuhause.

ich gehöre zu den Menschen, die äußere Ordnung brauchen um innere Ordnung herzustellen. das weiß ich schon ganz lange und das war ein großes Thema in der Beziehung. ich sei zu pingelig. dabei korreliert bei mir eben innen und außen. und das, womit ich mich umgebe, wirkt auch in mich rein. also mute ich meinen Kindern zu, dass ich aufräume und putze, während sie bei mir sind (nein, das ist nicht selbstverständlich) und ich fordere sie auch auf, mir zu helfen.

wenn sie gerade im Flow unterwegs sind lasse ich sie spielen, dann hab ich ohnehin die Hände frei, aber beim Wäsche waschen/aufhängen, beim Spülen, Spülmaschine ein-/ausräumen, saugen können sie helfen. das Ergebnis ist nicht immer das, was ich als optimal bewerten könnte, aber sie sehen, dass das Teil des Wohnens ist: das, was Du hast, muss bewahrt werden, sonst geht es kaputt.

nach etwa 3 Wochen hatten wir da einen Rhythmus raus. meine Kinder machen ohnehin gerne das, was ich mache. und wenn sie merken, dass ich in der Wohnung herumwusle, lassen sie mich wuseln. vielleicht gönnen sie mir ja auch den Flow, wer weiß?

 

4. do what you love

unsere Kinder lernen von uns das Leben. und ich bin sowohl ein Heimchen als auch eine Räubertochter und so puzzle ich nach Bedarf unsere Freizeit zusammen. ich war mit zwei Kindergarten-Kindern Samstagnachmittag allein auf der Eisbahn. ich dachte zwischendurch, ich habe den Verstand verloren, aber ich hatte mich darauf gefreut. wir haben vorher Videos davon auf YouTube angeguckt und meine Kinder waren neugierig. und was soll ich sagen: ich war 90min lang angespannt von vorne bis hinten und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob es meinen Kindern Spaß gemacht hat und danach wollten beide in den Verein und Schlittschuhlaufen lernen.

es ist so: ich denke viele Situationen von vorne bis hinten durch und überlege mögliche Sollbruchstellen vorher. damit kann ich den Alltag so frustfrei wie möglich gestalten. aber auf Abenteuer kannst Du Dich nicht vorbereiten, da musst Du improvisieren und das macht glücklich! ich wusste, was wir etwa anziehen sollten um auf die Eisbahn zu gehen, aber mehr konnte ich mir nicht überlegen. wir haben in der Situation geregelt, was wir regeln mussten.

so war es auch im Schwimmbad im Sommer. oder auf dem Weihnachtsmarkt. oder bei meinem Kurzurlaub in Hamburg im Frühling. Ich überlege mir gut, wohin meine Sehnsucht geht und dann versuche ich, das umzusetzen. es sind meine Kinder, sie haben meine Gene.

klar müssen sie nicht meine Hobbys teilen, aber ich kann darauf vertrauen, dass wir als Team funktionieren.

ich vertraue meinen Kindern so, wie ich mir selbst vertraue. zusammen schaffen wir das. der nächste Schritt wird zu dritt auf dem großen Feldberg Rodeln zu gehen sobald da Schnee liegt. im größten Gewusel aller sich dort stapelnden Menschen möchte ich mit den Kindern durch die Tannen zischen, weil ich das liebe. es wird klappen. sicher nicht wie in irgendeinem Bilderbuch, aber so, dass unser Hirn eine glückliche Erinnerung daran hat. und danach sitzen wir zuhause mit Mondtee auf dem Sofa und werden schmusig und schwer und sind zusammen warm, weich und flauschig.

 

5. love what you do

ich mag nicht Einkaufen, ich mag nicht Staubsaugen, ich mag nicht Keller aufräumen…jeder hat so seine Hass-Haushaltsthemen. ich muss sagen: das bringt nix. es gehört dazu. also wird’s gemacht. aber keiner zwingt mich, das zu machen wie Martha Stewart. mein Vorbild ist eher Mary Poppins. der Keller räumt sich leichter auf mit Musik und zwei Kindern, die auf Forschertour sind. ja, die stehen auch mal im Weg, aber sie sind da und lachen mit Dir und entdecken Schätze, wo Du nur Sperrmüll siehst.

also, unser Keller ist logistisch eine Katastrophe aber unter Tetris-Gesichtspunkten perfekt eingeräumt

ich gebe zu: beim Saugen habe ich keinen Geheimtipp (meine Kinder hätten gern ein Haustier und ich überlege, ob ein Saugroboter nicht ähnlich teuer in Anschaffung und Haltung wäre wie eine Katze) aber alles andere lässt sich auch mit Humor regeln. also hier.

ich versuche wirklich, gern zu machen, was ich mache. beim Tischabräumen stelle ich mir manchmal vor, dass ich Trinkgeld dafür kriege. ist blöd, aber für mich klappts.

 

6. eat.pray.love.

ich wollte mit der Überschrift vor allem auf das „eat“ hinaus. Essen ist mein Stern. im Alltag geht das schnell unter. damit ich einmal in 5 Tagen was warmes esse, erlaube ich mir einmal die Woche einen Döner von gegenüber. und am Wochenende bin ich manchmal so platt, dass ich auch nicht wirklich kochen kann, sondern nur aufwärmen. solche Wochen gibt es. und sie gehören dazu. Fischstäbchen, Bockwürstchen, Fertigpizza…quick and dirty ist voll ok. Generationen von Student*innen leben von nichts anderem und werden trotzdem fertig. eigentlich wollte ich meinen Kindern mal sowas total hingebungsvoll-kochendes-und-genießendes vorleben, aber das braucht Ressourcen, die ich nicht (mehr) habe. also bleibe ich realistisch und mache die Mahlzeit abhängig von meinem Befinden.

ich frage nicht: „was wollt ihr essen?“ ich frage „Nudeln mit Ketchup oder ohne?“

jetzt in den Ferien, wo die ganze Ernährung an mir hängt, gestaltet sich das natürlich etwas anders. ich habe anders eingekauft und vorgekocht und die Tage haben eine andere Struktur. aber auch hier gibt es immer die Möglichkeit, schnell mal eben was zu kochen. vielleicht sollte ich mal meine Ferien-Einkaufsliste veröffentlichen, um sichtbar zu machen, wie ich das mache, denn: ich kriege es hin, jeden Tag die drei Mahlzeiten einzuhalten und zu kochen und dabei noch das Gefühl zu haben, es ausgewogen zu gestalten. weil ich es will. weil das mein Geschenk an uns ist. weil ich es lange geübt habe. weil das mein unmittelbarster Ausdruck von Liebe ist.

und eine feste Regel ist jetzt: eine Mahlzeit am Tag wird am Tisch gegessen. die ist ganz neu, aber sie verbindet mehrere der hier aufgeführten Punkte. sie ist flexibel, sichert, dass der Esstisch als Zentrum wahrgenommen wird und erlaubt, alle anderen Mahlzeiten woanders zu essen.

 

7. talk

ich tratsche nicht und ich bemühe mich, nicht ins Lästern zu verfallen, aber ich rede drüber. ich erwähne meine veränderte Lebenssituation und verschaffe mir damit Erleichterung und erhöhe so meine eigene Akzeptanz dafür. es ist nicht leicht. und es gibt viele Hürden. aber der Gedanke, jemand könnte meinen, ich hätte da mords die Unterstützung beim Auffangen meiner Kinder, macht mich wütend. das, was nach außen sichtbar ist, ist mein Herz. meins. mein Handeln, meine Entscheidungen und meine Liebe. meine Verlässlichkeit, mein Verantwortungsgefühl und meine Fähigkeit, Probleme zu lösen. nicht seine. die Kinder sind so entspannt, weil ich mich um sie kümmere. weil ich es richtig mache. weil ich verzichte und sorge und mich darauf einstelle, hier die Fahne hochzuhalten. weil ich sparsam haushalte und an mir arbeite. weil ich meine Gefühle reflektiere. weil ich gerade zu Supermom mutieren muss und die berechtigte Wut meiner Kinder auffange.

das hier ist eine Form des Ausnahmezustands, bis wir Routinen haben.

dem folgt eine extraordinäre Belastung, selbst wenn die Routinen stehen, weil ich eben nicht Lasten verteilen kann sondern ständig alleine in Charge bin und bleiben werde.

darüber zu reden ist wichtig. es tut gut. und es ermöglicht anderen, zu helfen, Hilfe anzubieten, da zu sein. wir sind soziale Wesen und wünschen uns alle Gerechtigkeit und wir wissen, dass es keine Gerechtigkeit gibt. aber wir können füreinander da sein. nicht zu letzt in der Hoffnung, dass auch für uns jemand da ist, wenn wir jemanden brauchen.

 

 

vielleicht ergänze ich hier noch was…vielleicht auch nicht…auf jeden Fall ist jetzt höchste Zeit, zu frühstücken. mal sehen, was und wo wir heute essen: gestern gabs Eisköniginnen-Müsli im Kinderzimmer. ich wäre ja heute für Obstsalat am Esstisch. aber ich entscheide ja nicht alleine…;-)

 

liefs,

minusch

14 Antworten auf „surviving everything

      1. Liebe Minusch, längst nicht alle tun, was sie können. Du klingst bei vielem, was Du schreibt, unendlich traurig. Und ich denke dann beim Lesen, dass ich Dir gerne mit etwas helfen würde. Es ist nicht en vogue, von eigenen Problemen zu sprechen und ich denke oft bei anderen Eltern im Kindergarten oder in der Schule, dass sie es oft sicher schwer haben und genau so wenig darüber sprechen, wie ich es tue. Deshalb finden es viele hier sicher so bewundernswert. Nicht nur, dass Du tust, was Du tust. Sondern wie offen Du darüber schreibst. Ich hoffe, das Schreiben hilft Dir ein bisschen mit dem Leben, das Du nicht wolltest, klar zu kommen und es hilft vielleicht auch anderen, sich zu öffnen. Oft würde Offenheit sehr dazu beitragen, dass man die Hilfe bekommt, die man gerade braucht. Nur, wenn es niemand weiß, dass man sie braucht, wird sie auch niemand anbieten.

      2. …Danke, der Kommentar hilft mir beim Verstehen.
        ja, das Schreiben hilft. hat es schon immer. Kontakt hilft auch. Worte von anderen. aber das Schreiben selbst hat eine sortierende Wirkung und das entspricht mir. ich hab also Glück mit den aktuellen Medien.

        ja, sprecht über das, was Euch traurig macht. es muss nicht in die emotionale Apokalypse ausarten. manchmal ändern Kleinigkeiten den Alltag auf so wunderbare Weise, dass es leicht wird, den Kopf zu heben. ❤

  1. Deine Art die Dinge wahrzunehmen, zu überdenken und aufzuschreiben spricht mich sehr an. Danke!
    Das was du schreibst ueber das Schlittschuhlaufen und den Umgang mit dem Augenblick, mit dem Jetzt war fuer mich auch eine ganz wichtige Haltung im Umgang mit den Kindern, wenn wir was unternommen haben. Das Loslassen des Gesamtbildes zu Gunsten intensiven Seins bringt mir mehr Befriedigung, mehr Vertrauen, mehr Gelingen.

    1. Danke für die lieben Worte. meine Seele ist gerade ein Schwamm und es tut gut, wenn Aspekte wertgeschätzt werden. der Gedanke von einem Gesamtbild gegenüber einem Moment den Intensität ist so ein großes Thema in allen kulturellen Bereichen und er ist so derbe im Wandel, wenn wir uns ansehen, wie heute Konzerte rezipiert werden: das Dabei-sein ist wichtiger als die Adaption. wichtiger als das Erleben. und natürlich wirkt das zurück auf uns…

      es gibt noch so viel zu schreiben

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