2 Wochen

vor 2 Wochen war der Stichtag. seit dem leben wir zu dritt. Papa hilft ab und zu aus, wenn meine Arbeit mit der Kinderbetreuung kollidiert oder damit ich zu den Weihnachtsfeiern meiner Arbeit kann.

ich habe seit dem viel über mich gelernt.

ich habe gelernt, dass es mich irrsinnig belastet, mit den Kindern allein zu sein und mit niemand Großem zu reden (beispielsweise am Wochenende oder wenn ein Kind krank ist).

ich habe gelernt, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, obwohl ich das nicht brauche. es ist einfach da. ich schäme mich irgendwie, dass meine Kinder auf mich angewiesen sind und ich es nicht geschafft habe, die Familie zusammen zu halten. ich bin auch unsicher, was Trennungssymptomatiken angeht. einerseits haben wir Großen es, denke ich, ganz gut geschafft, bisher keinen Krieg anzuzetteln, trotz vieler grundsätzlicher Differenzen über die Trennung hinaus. andererseits zeigen die Kinder natürlich trotzdem recht diffus, das etwas anders ist. hier ist keiner 24/7 am weinen. aber es gibt Wutausbrüche wie aus dem Nichts. es gibt Malheurs. es gibt ein verstärktes Zuhausebedürfnis und diffuse Schmerzen.

ich habe gelernt, wie schnell ich verzweifle, wenn es keinen Anker am Tag gibt. so einen Moment, von dem ich weiß, dass ich dann nicht mehr alleine bin. es ist ein unfassbares Gefühl, in eine Krise zu schlittern und niemanden um Hilfe bitten zu können. ja, ich weiß, ich schaff das schon (als gäbe es da irgendwie einen Spielraum das Gegenteil auch nur zu denken), aber es ist sehr belastend.

ich habe gelernt, dass meine Haushalts-bezogene Weitsicht phänomenal ist.

ich habe gelernt, dass ich besser morgens um 5 das Bad putze als abends um 21Uhr.

ich habe gelernt, dass ich jetzt nicht mehr so essen kann, wie es zu mir passt, sondern dann, wenn meine Aufgaben es zulassen (yep, ich nehme zu…).

ich habe gelernt, dass es Menschen gibt, die Distanzen für mich überwinden, weil sie spüren, dass es mir hilft. ich habe so wundervolle Post bekommen. Plätzchen bekam ich persönlich vorbei gebracht (von der beinah-Nachbarin Steffi, die hier so ruhig mit uns am Tisch saß, als kenne sie uns schon länger). ein Blumenstrauß (von der wunderbaren Frau Rabe), ein Tee-Adventskalender (von der herzenswarmen Raberin, die eigentlich über ihr Leben auch ein kunterbuntes Blog füllen könnte), ein Adventskalender für ein Teelicht (von meiner lieben Thea), Bilderbücher für Vorleseabende mit meinen Kindern (von der fernen und doch nahen Juli) und wunderbare Karten. ich bin dankbar. so dankbar…

genau genommen hatte ich in den letzten zwei Wochen Babysitter-Hilfe für die Arbeit und eine Weihnachtsfeier. die Feier war quasi meine Freizeit. ansonsten bin ich Mama oder Angestellte. in beiden Settings arbeite ich mit kleineren Menschen, die ich nerve, wenn ich sie auffordere, etwas zu erledigen. kleine Menschen, die ich verstehen muss, weil es mein „Job“ ist. es ist sehr anstrengend, davon nichts abgeben zu können.

ich kann inzwischen ganz gut immer wieder ein Stückchen Haushalt zuhause erledigen, wenn die Kinder da sind, aber: ich hab keine Ahnung, wie das ohne Fernseher gehen könnte. ich hätte immer wieder gern einen Garten oder Hof, um die zwei Jungs mal unbeobachtet spielen lassen zu können. hier Zuhause kriege ich ja jeden Bauwerks-Kollaps und jeden Streit sofort mit und reagiere.

ja, der Haushalt ist tatsächlich einfacher zu führen so allein. nichts desto trotz hat die Wohnung dieselbe Größe wie vorher und die Malheure des Kleinen bescheren uns einen Dauerstandplatz des Wäscheständers im Wohnzimmer.

ich wünsche mir gerade wirtschaftliche Gelassenheit um mich zu trauen, einmal die Woche Pizza zu bestellen. und ich würde schrecklich gern die Wohnung renovieren, weil die vielen kleinen Kaputtigkeiten mich jetzt noch mehr stören als vorher. wenn ich mir schon so sehr Mühe gebe, hier alles in Ordnung zu bringen, dann soll die Wohnung bitte schön auch ordentlich sein (*verzweifeltes Fußaufstampfgeräusch*).

ich habe gelernt, dass alles Schöne in nächster Zeit durchzogen sein wird von Bitterkeit. Bitterkeit, dass wir nur noch 3 sind und nicht mehr 4. dass ich allein bin und nicht zu zweit. dass ich mal wieder an dem System Familie gescheitert bin (und er ja auch). dass Weihnachten zwar ein wundervolles Fest ist, aber allein mit zwei Kindern eben gleichzeitig  auch extrem traurig. klar habe ich die Nähe der Kinder. das ist ein Wert an sich. aber ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der oder die wirklich alleinerziehend sein will. weil es sehr viel anstrengender ist als mit einem eingebauten Co-Erzieher im Haus.

 

ich lebe sicherheitshalber schon jetzt auf Sparflamme, weil ich nicht weiß, was die Zukunft bringt. ich bereite Anträge auf Wohngeld und Kinderzuschlag vor, um mich abzusichern, da der Papa schon angekündigt, hat, bald nur noch die Hälfte der besprochenen Summe zahlen zu können. mehr arbeiten kann ich nicht. zumindest nicht, ohne die Kinder in die Pflicht zu nehmen, 2h/Tag länger im Kindergarten zu bleiben. und damit hätte ich ein dickes Problem, weil die zwei ja schon jetzt eine Zuhausesehnsucht haben, die ich gut verstehen kann und die ich als heilend einstufe. dies zu bedrohen wäre in meinen Augen nicht richtig.

gerade mussten wir Winterstiefel kaufen. es fehlt noch eine Schneehose für den Großen. meine Sachen passen glücklicherweise alle noch und auch mit eventuell dickerem Bauch. im Kühlschrank liegen Plätzchenteige. im Gefrierschrank habe ich noch eingekochten Rotkohl, Sauerkraut, Zwiebelkuchen und TK-Gemüse. zu Weihnachten schenke ich mir ein Buch und zum Geburtstag schenke ich mir zwei Feiern, weil ich die letzten Jahre nicht richtig gefeiert habe. ich kann noch ein Handy verkaufen, einen Kinderwagen und zwei Laufräder, um das Sparbuch ein wenig auszupolstern. zur Zeit bin ich schon dankbar, wenn ich die meiste Zeit des Monats den Dispo nicht brauche.

 

gut ist, dass sich die Streitereien reduziert haben, da wir uns nicht mehr täglich sehen. das spart Kraft. mehr, als ich dachte. ich werde uns Zeit lassen, ruhig zu werden. den Kindern. und mir. ich finde, ich mache es objektiv gut. ich lobe mich selber, zeige den Kindern Gefühle und mute ihnen Langeweile zu. und ich verabrede mich zunehmend mit anderen Menschen für kleine Abenteuer.

 

die Entscheidung war richtig. sie tut weh. die Konsequenzen sind noch nicht ganz absehbar. aber es war und ist richtig so. die Kinder schlafen durch. ich schalfe mit ihnen ein und stehe 2h vor ihnen auf. das ist gerade einfach so. auf der Weihnachtsfeier war ich etwas zu laut, weil ich mich so frei gefühlt habe wie ein wilder Vogel. ich wollte singen und tanzen und laut sein. aber ich denke, meine Kolleg*innen haben mir das nachgesehen. ich hatte schon einen sehr schönen und wärmenden Traum. und ich erkenne am Horizont kleine Freiräume für die Zukunft.

 

Nachsatz:

wenn irgendein Mann diese Beiträge liest und davon etwas Verächtliches ableitet, so wie es derzeit auf einem anderen Blog einer alleinerziehenden Mama geschieht, dann bitte ich ihn, zu bedenken: wenn eine Mama allein mit ihren Kindern lebt, dann 1.) nicht freiwillig und 2.) nicht zum Hohn des Vaters sondern aus existenziellen Gründen. wenn eine Mama allein mit ihren Kindern lebt, dann ist sie diejenige, die ihre Kinder emotional stützt und hält. diese Frau mit Angriffen zu schwächen ist ein brutaler Zug, denn der Angriff wirkt sich auf die Kinder aus, ob die Mama das will oder nicht. es hat was von Kriegsführung, die Menschen anzugreifen, die den geringsten Bewegungsradius haben, weil sie für andere sorgen.

früher gab es mal sowas wie eine Übereinkunft, Frauen zu schützen. heute scheint die Emanzipation viele Männer dazu gebracht zu haben, Frauen nicht mal mehr als menschlich einzuordnen. als Wesen, denen dieselben Rechte zugestanden werden müssen, wie einem selbst. diese Verachtung spiegelt sich im Internet auf schreckliche Weise und sie macht mir Angst, selbst irgendwann von einem solchen Mann angegriffen zu werden.

wenn Beziehungen nicht funktionieren, liegt das in aller Regel an beiden. das klingt platt, aber es stimmt. wäre ich eine andere, hätte meine Ehe vielleicht gehalten. wäre er ein anderer, wäre ich heute vielleicht mit ihm glücklich. wir alle sind, wie wir sind. das eine begründet sich in unserer Kindheit und das andere in unserem Werdegang. wir überblicken einen gewissen Teil unserer Persönlichkeit und einen anderen nicht. universelle Kompatibilität ist genauso ein Wunschtraum wie der oder die richtige oder ein Anspruch auf Partnerschaft oder Sex. wir alle scheitern daran, dass wir eben nicht in den anderen reinsehen können. manche Konstellationen von Menschen scheinen zu glücken und scheitern später oder nie. andere scheitern beim ersten Mal. was soll ich sagen: wer meint, in diesem Bereich mit dem Finger auf andere zeigen zu müssen, hat nicht verstanden, dass er oder sie, egal wie er oder sie es wendet, Teil des Problems ist.

Scheitern kann jeder. was wir daraus lernen unterscheidet die einen von den anderen. und selbst dafür haben wir im Zweifelsfalle so viel Zeit, wie unser Leben uns lässt.

 

mehr Gelassenheit für die Menschen und ein Gefühl für die Grenzen des menschlichen Umgangs wünsche ich uns allen.

 

minusch

 

 

 

9 Antworten auf „2 Wochen

  1. Liebe Minusch,
    auch, wenn ich Dir nicht eben mal die Kinder für ein paar Stunden für Dich abnehmen kann, so doch wenigstens ein paar Gedanken eines Menschen, der nur mit einem Elternteil aufwuchs. Und nein, sie hat es sich auch nicht ausgesucht, sie hat sich für mich entschieden und sie hatte es nie leicht. Dennoch bin ich für vieles dankbar, war ich schon als Kind: bei uns zuhause hat sich niemand gestritten, wie bei anderen Kindern.
    Deshalb schicke ich Dir ganz viel Kraft, Du wirst das meistern und die beiden Kleinen werden es ebenso meistern und lernen zudem, dass es manchmal besser ist, wenn man einen anderen Weg nimmt. Ich drücke die Daumen für etwas Beihilfe nach allem Papierkram. Ich kann mich selbst noch gut erinnern. Lass Dich nicht unterkriegen. Du machst das wunderbar.

    Ganz herzlich, Juna

    1. vielen vielen Dank. Deine Worte tun wirklich gut! auch der Gedanke, dass es zuhause keinen Streit gibt, ist ein sehr schöner Gedanke.

      und danke für das Lob. wirklich…einatmen, ausatmen…lächeln. 🙂

  2. Hallo Minusch
    Der @Almabtrieb pausiert ein wenig. Doch lese ich Dich mit dem @teamrettung.

    Teile mir doch bitte die benötigte Größe der Schneehose mit.

    Grüße Claus

  3. Hallo liebe Minusch!
    Ich war mit meiner Tochter viele Jahre alleinerziehend. Mich zu trennen war hart und die Zeit danach schwer, vor allem emotional. Ich komme aus einer zerrütteten Familie und hab es auch nicht geschafft..das zerbrechen dieses Traums einer heilen Familie, das war das schlimmste. Aber es hat ungeahnte Energien in mir frei gesetzt, ich hab mich selbst besser kennengelernt, hab zu mir gefunden, hab mich durchgeboxt durchs Studium, einen Job bekommen, in einer Sozialwohnung gelebt. Es war ultraanstrengend. Aber damals wie heute, fast 10 Jahre nach der Trennung, kann ich sagen: mich zu trennen von dieser Bindung war das Beste was ich für mein Leben tun konnte. Heute bin ich mit einem großartigen Mann verheiratet und habe noch drei Kinder mit ihm bekommen. Aber nicht wegen der neuen Familie war es das Beste. Vor allem die Jahre allein mit meiner haben mich verändert und das war unheimlich wichtig. Ich wünsch dir alles Gute!! Du machst das sicher super! Michi

  4. Hallo Minusch,hier Mama plus vier,alle Freunde verloren:neue Beziehung begonnen,aber zu oft gucken wir in einen leeren Kuehlschrank und auf rote Rechnungen,immer noch hoffend es wird besser.Nur niemals aufgeben.Und bleib im Land wo Du Freunde oder Familie hast.Alles Liebe und viel Glueck

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