metame

Dienstag

alles läuft gut. meine ganze „Vorarbeit“ blüht auf. meine Vorgesetzte weiß Bescheid und hilft mit Toleranz und Flexibilität und Informationen. Menschen auf Twitter und anderswo schicken mir immer wieder kleine Nachrichten, fragen nach, antworten, denken mit und schimpfen mit.

von ihm höre/lese ich nichts. von seiner Familie auch nicht. ich hatte eine Mail geschrieben, weil ich dachte: wenn mein Sohn so etwas mit seiner Frau machen würde, ich wollte es wissen und helfen, das aufzuräumen. aber: ich bin ich und die anderen sind die anderen. bis jetzt hat niemand etwas dazu gesagt. (meine eigene Familie übrigens auch nicht, obwohl ich weiß, dass sie hier mitliest, damit sie etwas zum aufregen und zum erzählen hat.)

heute Morgen hat der Kleine nach Papa gefragt. aber er hat nicht geweint. beide Kinder sind aufgeräumt (mit Frühstück im Bauch, Zähne geputzt, frisch angezogen, Fingernägel geschnitten (!)) und lachend in ihren Einrichtungen angekommen. die Trennung dort von mir war natürlich nicht einfach. aber auch hier kommt mir etwas zu Gute, was ich schon habe: ich bin in der Lage Zuversicht auszustrahlen und eine Struktur zu halten, von der ich überzeugt bin, auch wenn in mir etwas weint. meine Kinder gehen nicht in die Einrichtungen, damit ich frei habe. sie gehen dort hin, damit möglichst viel so bleibt, wie es war. ich bin davon überzeugt, dass das richtig ist so. ich bin mir sicher, dass das die richtige Entscheidung ist.

auf dem Heimweg gingen mir diese vielen Blicke durch den Kopf. wisst ihr, wie Menschen euch anschauen, wenn ihr erzählt, dass euch etwas Schlimmes passiert ist? wir können nicht anders. wir ziehen ungläubig die Augenbrauen hoch. die Stimme hebt sich? „was? das ist nicht Dein Ernst!“…dann erscheint entweder Wut oder Betroffenheit. beides ist hilfreich. also für mich jetzt.

ich kenne das auch schon von früher. immer wieder löst meine Lebensgeschichte so einen Schauer aus. und ich selbst sehe es wie eine Perlenkette an der auch Müllsäcke hängen.

Tropfen für Tropfen reiht sich alles aneinander – ein langer Strom von schillernden Farben die nicht hinwegtäuschen können über diese unterschiedlich dicken Säcke mit dem Müll.

auch Müll ist schön. wäre er nicht gewesen, hätte ich vieles noch nicht kapiert. und gleichzeitig ist er irgendwie unnütz. ich denke noch darüber nach, wie ich ihn verbrennen kann um dann in dem Feuer etwas anderes zu härten, aber gleichzeitig lehne ich Härte ab. schon immer. mein Weg ist der in Richtung Wasser. mein Blick ist der in den Himmel über dem Wasser. auch jetzt. meine Elemente sind Feuer und Erde und meine Sehnsucht ist die Luft.

das kann ich völlig frei von esoterischen Anmutungen sagen, weil das die einzige Typologie ist, mit der ich arbeiten kann. die einzige, die ich verstehe. ich bin ein Erde-Feuer-Wesen. ich bewahre und beschütze, ich baue auf und kühle. ich schaffe ein Zuhause und brauche mein Zuhause und ich kann darin versinken und die Welt vergessen. negativ ausgedrückt ist die Depression meine Patin.

ich bin voller Leidenschaft für das, woran ich glaube. und ich habe eine Energie, mit der ich andere mitreissen kann. es ist nicht schwer für mich, Menschen zu überzeugen. aber diese Energie kann auch verbrennen. zerstören. mich und andere. das weiß ich schon sehr sehr lange.

gerate ich in Wut, ist die Verbindung meiner Elemente zerstörend. ich denke an glühende Erde und fürchte mich davor. ich kann auch das schon sehr lange gut regeln. ich kenne mich. Wut ist ein Zustand, den ich meide. dahinter liegt glücklicherweise immer die Trauer. die schubst zwar meine Erdpatin immer wieder an, aber sie ist leichter zu löschen. und sie gefährdet eigentlich nur mich.

ich mache Yoga. ich habe gelernt, wie Entspannung transportiert werden kann. ich singe gern. ich schreibe Lyrik. ich hänge so meinen Kopf in den Wind und führe mir zu, was mir fehlt: Leichtigkeit, Gedankenfreiheit, Kunst, Tanzen…Luft.

so, wie ich mich verstanden habe, kann ich auch andere Menschen verstehen. und ich habe auch viel über Papa verstanden. deswegen weiß ich schon so lange, dass ich nichts mehr tun kann. dass es nicht meine Aufgabe ist. ich musste es auch alleine lernen. das mit der Wut. ich musste selbst entscheiden, dass ich für niemandes Schmerz verantwortlich sein will, wenn ich es irgendwie verhindern kann. ich musste verstehen, dass ich diese Energien habe und dass das gut ist. dass es sich nur nicht lohnt, in die Extreme zu gehen. der rote Bereich. es ist nicht gut. der Weg in die Stille ist gut. Schweigen. Sanftheit. Zartheit mit sich selbst. Selbstsorge ist nicht Selbstoptimierung. Selbstsorge ist Verständnis für mich selbst und meine Sehnsüchte. ich muss mich nicht mehr schön machen. ich bin schön. an mir ist so viel heil. ich muss nicht besser singen oder toller schreiben oder eleganter streiten. das, was ich kann, reicht für ein Leben.

was aber nicht ausreicht, ist die Betrachtung von sich selbst ohne Gegenüber. es reicht nicht, Bücher zu lesen. es reicht nicht, Muskeln zu trainieren. es reicht nicht, sich perfekt zu ernähren.

es ist wichtig, in sich selbst zu verstehen. warum es leichter ist, sich wochenlang durch einen Sport zu quälen, ohne ein Ziel zu haben, als leise zu werden, wenn gegenüber ein Mensch unglücklich ist.

Nähe entsteht weder durch Schönheit, noch durch Perfektion. Nähe entsteht durch den liebevollen Blick auf sich selbst und auf den anderen. und Wärme entsteht, wenn einer etwas falsch macht und der Gegenüber lächeln kann und sagt: ich weiß, Du konntest nicht anders. ich verzeihe Dir.

ich wärme meine Kinder. jeden Tag. sie dürfen von mir lernen, wie es ist, gut zu sein. verstanden zu werden. sie dürfen heil sein. an ihnen ist alles gut. und meine Kinder wärmen mich. sie verzeihen Müdigkeit, schlechte Laune und Vergesslichkeit. wir vertrauen einander. deswegen können sie jetzt, wo unserer Familie jemand so empfindlich fehlt, dennoch in die Betreuung gehen und dort Schönes erleben. ich werde sie abholen. und wir werden lachen. ich werde die Strukturen halten und der nächste Tag wird kommen.

Liefs,

Minusch

Eine Antwort auf „metame

  1. Hallo Sie,
    Eltern von Minusch. Die, die hier wohl mitlesen.

    Ich kenne Sie nicht und Sie kennen mich nicht. Verzeihen Sie mir dennoch, dass ich ein paar persönliche Worte an Sie richte.

    Sie haben es offensichtlich nicht geschafft, sich um das unversehrte Seelenheil Ihrer Tochter zu kümmern. Das ist sehr schlimm. Sie haben aber jetzt die Chance, für die zwei reizenden Enkel da zu sein und es vielleicht für diese zwei Seelen richtig zu machen. Nutzen Sie die zweite Chance.

    Und verstehen Sie bitte, dass derjenige, der Schläge austeilt, ein Täter ist. Er ist derjenige, der Probleme hat. Nicht diejenige, die sie kassiert.

    Stehen Sie auf und tun Sie (einmal) das Richtige.

    Mit Grüßen
    Tante Emma

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