Meine Stadt ist kinderfreundlich

Selbstverständlich lese ich im Rahmen meiner Möglichkeiten viel im weltweiten Netz herum. Ich bin neugierig, wie andere Familien mit Kindern leben, wie sie sich aufteilen und mit den vielen „Phasen“ umgehen. Und ich tausche mich gerne aus. Gleichzeitig bekomme ich hier natürlich ein kleines bißchen Politik mit. Vereinbarkeitsprobleme die politisiert werden. Fehlende Hilfen an allen Ecken und Enden…also im großen Vergleich geht es uns gut, aber wir wären keine Menschen, wenn wir nicht auch weiterhin optimieren wollen würden um an der ganz großen Gerechtigkeitsschraube zu drehen.

Ich möchte an dieser Stelle aber recht gern ein Lob auf diese Stadt hier loswerden. Darmstadt ist vor allem im Vergleich mit den umliegenden Großstädten eine sehr familien- und kinderfreundliche Stadt. Das bezieht sich sicher nicht auf jeden Einwohner und schon gar nicht auf Vermieter, die ihre Wohnungen zu Frankfurt-ähnlichen Mietpreisen vermieten. Aber unsere Politik hat in den letzten Jahren hier einiges verändert, was für Familien wirklich gut ist. Und die Wirtschaft zieht nach!

Das wahrscheinlich beste, was diese Stadt Familien anbietet ist ein Projekt mit dem Namen „Familien Willkommen„. Ursprünglich war es nur eine Sammlung mit allen Familien-relevanten Service-Anbietern in unserem Kreis. Aber es ist gewachsen. Inzwischen wird jedes in Darmstadt geborene und lebende Kind etwa 3 Monate nach seiner Geburt in Absprache mit der Familie von einer Sozialarbeiterin besucht, die im Gepäck nicht nur einen Info-Ordner mit Tipps zur kindlichen Entwicklung und für Zuschüsse von der Stadt hat sondern auch die offizielle Einladung, ein fiktives Budget, das im Rahmen dieses Projektes zur Verfügung gestellt wird, zu nutzen: Jedem Neugeborenen steht so im ersten Lebensjahr ein Budget von 500,- zur Verfügung, aus dem Dienstleistungen „eingekauft“ werden können. Am beliebtesten ist eine Haushaltshilfe, die mit diesem Budget etwa 30h lang kommen kann und im Haushalt helfen. Aber es wären auch andere Hilfen denkbar. Die Familie überlegt sich, was helfen würde und die Sozialarbeiterin kümmert sich um die Umsetzung und Finanzierung.

Als ich das zum ersten Mal hörte, war ich fast fassungslos vor Begeisterung. Und es funktioniert unbürokratisch, schnell und direkt. Einfach so. Wir hatten als besondere Unterstützung ab meiner zweiten Schwangerschaft eine Haushaltshilfe aus diesem Projekt  und sie wurde uns tatsächlich sogar länger bewilligt, als üblich, weil es für mich einfach unfassbar schwer war, hier die Füße auf den Boden zu bekommen. Ich war so sehr dankbar dafür.

Zusätzlich zu dieser Hilfe ist unsere Stadt durch ihre starke Untergliederung in einzelne Kieze natürlich für Familien ein Traum. Jedes Viertel hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Happenings, Einkaufsmöglichkeiten, Wochenmärkte, Kitas, Parks, Spielplätze. Im Grunde ist hier an jeder Ecke ein Spielplatz. Sicher sind nicht alle wunderschön, aber sie sind da. In den Ferienzeiten gibt es als besondere Attraktion das feuerrote Spielmobil von den Falken, das verschiedene Spielplätze ansteuert. Wir haben verschiedene Freibäder in verschiedenen Stadtteilen, wir haben mehrere Schwimmbäder, die kindergeeignet sind (auch nicht alle perfekt, aber – genau – da!).

Es gibt viele Radwege aber noch mehr Wege, auf denen die großen Straßen umfahren werden können. Nach und nach werden die Haltestellen einigermaßen barrierefrei umgebaut und die Supermärkte und Discounter stellen sich auf Kinderwagen, Croozer und Zwillingskinderwagen ein. Unser Familienzentrum ist voller Kurse für jede Altersklasse. Dazu gibt es wirklich viele Vereine, die Kinderangebote machen (Sport, Basteln, Musik, Tanzen, Walderfahrungen, Saisonales…). Wir haben Naherholungsgebiete, eine Kinder- und Jugendfarm, einen integrativen Biobauernhof, einen Badesee mitten in der Stadt << und das alles völlig unproblematisch zu fuß oder per RMV erreichbar! In der Innenstadt gibt es in jedem Kaufhaus Wickelmöglichkeiten. Mamas mit Kinderwagen dürfen selbstverständlich die Toiletten für Menschen mit Behinderung benutzen. Flohmärkte, Erntedankfeste, Kindersporttag, Reparatur-Werkstätten, Kinderfest…es gibt kein Wochenende, an dem wirklich gar nichts kindgerechtes gefunden werden könnte.

In dieser Stadt mit Kindern zu leben ist für mich tatsächlich ein riesiges Glück. Unser Kiez ist klein genug um sich nicht wie in einer Großstadt zu leben aber trotzdem nicht geprägt von gegenseitiger Beobachtung. Die umliegenden Bäckereien kennen uns, der Blumenladen, der Buchladen, die Leute beim Rewe, Copy-Shop oder in unserem Liebslingscafe. Aber wenn wir durch die Straßen laufen, werden wir nicht an jeder Ecke von Bekannten angequatscht. Zum Laufen-gehen habe ich den Bürgerpark inklusive Fitness-Geräte in 10min Entferung. Will ich es idyllischer laufe ich den Berg hoch und jogge über die Rosenhöhe raus aufs Oberfeld und habe meine Ruhe. Und seit unser Museum endlich wieder geöffnet ist, freue ich mich schon darauf, es mit den Kindern zusammen anzuschauen.

Klar gibt es vieles, was nicht gut läuft. Die Ämter sind überall gleich behäbig und sperrig und schwer zu erreichen. Die Haupt-Post hat immer lange Warteschlangen. Die großen Straßen werden immer zu schnell befahren. Grüne Welle haben hier nur die Raser mit Tempo 65. Aber dem gegenüber steht ein wahnsinnig lebendiger, abwechslungsreicher und kindgerechter Mikrokosmos aus Angeboten von Menschen, denen Familien wichtig sind. Das ist hier spürbar. In der ganzen Stadt. Eigentlich hat diese Stadt für ihre Arbeit in diesem Bereich bereits jetzt einen Preis verdient. Wir leben hier sehr gern.

 

Liebe Grüße aus dem Martinsviertel,

Minusch.

 

 

6 Antworten auf „Meine Stadt ist kinderfreundlich

  1. Das klingt ja toll! Und absolut nachahmenswert! Absolut genial ist diese Idee mit der Unterstützung für die Familien mit den kleinen Kindern. Das wäre toll gewesen…

    1. Ich finde auch, dass so ein unaufdringliches aber gut durchdachtes Programm für so ziemlich jede Stadt und jeden Kreis geeignet wären!
      Vielleicht liest das ja mal eine engagierte Kommunalpolitikerin und nimmt sich ein Beispiel…:)

  2. Hallo, ich bin eben zufällig auf deinen Blog gestoßen und freue mich wie positiv du über Darmstadt schreibst! Mal kein Gemecker, sondern ein Loblied, schön. Wir wohnen auch sehr gerne hier, genauer gesagt in Bessungen. Ich liebe es alles zu Fuß oder mit dem Lastenrad erreichen zu können. Ohne viel Aufwand können mein Sohn (20 Monate) und ich z.B. aufs Oberfeld, in den Wald oder in die Orangerie. Diesen 500€-Gutschein habe ich gar nicht genutzt, muss ich mir unbedingt fürs nächste Kind merken 😉

    1. Juhu, eine Darmstädter Leserin! 🙂
      Ja, diesen Gutschein solltest Du Dir wirklich gönnen, wenn noch ein Kind unterwegs ist. Völlig Wurscht, ob Du es auch alleine schaffen könntest, denn: es geht darum, Familien zu entlasten in einer anstrengenden Zeit! Und die Energie, die frei wird, weil Du Dich nicht mit Dir selbst oder jemand anderem um den Haushalt streiten musst, ist sehr wertvoll. :))

      Liebe Grüße ausm Norden!

      Minusch

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